Mit 130 Stundenkilometern rauscht der „Silver Star“ in die Tiefe, der „Blue Fire Megacoaster“ beschleunigt in 2,5 Sekunden auf Tempo 100 und katapultiert seine Adrenalin-Junkies durch eine 360-Grad-Schraube. Nervenkitzel pur. Und für den perfekten Grusel sorgen später die Horror Nights Traumatica. Wohin man auch blickt: Action und Abenteuer, Spaß und Spannung, Show und Schauer – dafür steht der Europa-Park, dafür pilgern jährlich 5,6 Millionen Menschen ins südbadische Rust. Und ausgerechnet hier, bitteschön, soll es ein Refugium für Gourmets geben? Ein Feinschmecker-Lokal mit einer „hervorragenden Küche“, wie der Restaurantführer Guide Michelin urteilt, die „einen Umweg verdient“?

Den Umweg dorthin weist der mächtige, rot-weiß gestrichene Leuchtturm am Hotel „Bell Rock“. 35 Meter hoch ragt der Turm gen Himmel, exakt so hoch wie das Original vor der schottischen Küste auf jenem „schönen“, für die Seefahrer aber gefährlichen Felsen, der dem Hotel seinen Namen gab. Sechs Themensuiten beherbergt der Turm in den oberen Etagen, unser Objekt der kulinarischen Begierde residiert jedoch im Erdgeschoss: „Ammolite – The Lighthouse Restaurant“. Auf dem blauen Baldachin über dem Eingang prangt die stilisierte Form eines spiralförmigen fossilen Ammoniten, dem der seltene, wie Opal oder Perlmutt schimmernde, Schmuckstein Ammolit zu verdanken ist.

Gleich am Eingang bestaunen wir das spektakuläre, transparent wirkende Kunstobjekt aus hauchdünnen kilometerlangen Glasfäden der amerikanischen Künstlerin Toots Zynsky.

So soll auch das Restaurant ein Schmuckstück sein, ein gastronomisches Juwel im Europa-Park. Aber wie passt das zusammen – der Trubel im Park, in dem tonnenweise Pommes Frites, Spaghetti, Currywurst und Hamburger vertilgt werden, und eine Haute Cuisine, die höchsten lukullischen Ansprüchen gerecht wird? „Das Image von Freizeitparks war, was die Verpflegung betrifft“, sagt Thomas Mack, „noch nie besonders gut.“ Mack ist für Hotellerie und Gastronomie verantwortlich. „Dabei legten wir hier in Rust schon immer Wert auf ein gepflegtes Angebot.“ Weil er sich stets über die Klischees geärgert habe, die den Europa Park auf Kirmes-Niveau reduzierten, sei er auf seinen Vater zugegangen und habe ihm den Vorschlag für ein „Fine Dining Restaurant“ unterbreitet, das auch höchsten Ansprüchen gerecht wird, um die Zielgruppe der Feinschmecker abzudecken.

Mit seinem Vorstoß stieß er nicht gerade offene Türen ein. Roland Mack war erst einmal skeptisch. Vor allem, als er hörte, dass die Restaurant-Mannschaft um der Qualität willen nur an fünf Tagen in der Woche arbeiten sollte, wo doch der Park von Montag bis Sonntag geöffnet habe. Doch die hartnäckige Überzeugungsarbeit zahlte sich irgendwann aus. Als 2013 der erste Michelin-Stern, gerade mal ein Jahr nach der Eröffnung des „Bell Rock“, über dem „Ammolite“ strahlte, waren alle stolz – und nach dem überraschenden zweiten von maximal drei Sternen wiederum nur ein Jahr später nur noch perplex. Zusammen mit den 17 Punkten im Restaurantführer Gault&Millau und weiteren Auszeichnungen zählt das „Ammolite“ damit nicht nur zu den 40 besten Restaurants in Deutschland, es ist auch das einzige Sterne-Restaurant in einem Freizeitpark weltweit. Selbst der strenge Kritiker-Papst Wolfram Siebeck, der bis zu seinem Tod ganz in der Nähe auf Burg Mahlberg lebte, war verblüfft: „Ein Feinschmeckerrestaurant mit dieser Qualität im Freizeitpark – damit hatte ich nicht gerechnet.“

„Das ‚Ammolite‘ ist unser Leuchtturm“, sagt Thomas Mack, „der auch auf die gesamte Gastronomie des Parks abstrahlt“, und das darf man ruhig wortwörtlich nehmen. So betreten wir diesen Leuchtturm, um sogleich in eine im Vergleich zur akustischen Parkkulisse überraschend gedämpfte Atmosphäre des dezent ausgeleuchteten Restaurants einzutauchen. Gleich am Eingang bestaunen wir das spektakuläre, transparent wirkende Kunstobjekt aus hauchdünnen kilometerlangen Glasfäden der amerikanischen Künstlerin Toots Zynsky. Mondäne Eleganz umfängt den Gast, wie er sie nur aus den Top-Restaurants dieser Welt kennt. Goldene Dekor-Elemente, edle Stoffe in Anthrazit und hellem, silbrigen Grau verwöhnen das Auge, halbtransparente Gardinen teilen wie Schleier den Raum mit seinen 36 Sitzplätzen in intime Nischen auf, was den Wohlfühlcharakter des „Ammolite“ noch verstärkt. Zusammen mit der zum Gästebereich hin offenen Küche ist dies das stilvolle Reich von Peter Hagen-Wiest und seinem Maître-Sommelier Marco Gerlach.

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Hagen-Wiest brachte eine beachtliche Karriere mit, als er nach Rust wechselte. Sein Berufsweg führte ihn unter anderem zur „Villa Joya“ von Dieter Koschina, dem einzigen Zwei-Sterne-Restaurant in Portugal. Danach kochte er an der Seite von Koch-Legende Harald Wohlfahrt in der mit drei Sternen gekrönten „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn und ging schließlich zu Peter Knogl ins „Cheval Blanc“ in Basel, der ihn der Familie Mack empfahl. Damals hatten bereits zuvor einige etablierte Sterneköche in Rust abgesagt. Im Buch „Der beste Rat, den ich je bekam: Lebensrezepte von Spitzenköchen“ schreibt Hagen-Wiest: „Ich war wagemutig genug, mich an diese Aufgabe heranzutrauen, und Thomas Mack war wagemutig genug, mir, der ich noch nie als Küchenchef gearbeitet hatte, dieses Projekt anzuvertrauen.“ Das Vertrauen hat sich ausgezahlt – sowohl für den gebürtigen Vorarlberger Hagen-Wiest als auch für die Familie Mack.

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Zwei Menüs bietet das „Ammolite“ an: Das eine heißt „Around the World“ mit sieben Gängen, das andere, „Black Forest Cuisine“, hat einen Gang weniger. „Wir haben viele internationale Gäste“, sagt Hagen-Wiest, „die vor allem seit dem zweiten Stern zu uns kommen. Aber wir möchten gleichzeitig mit dem Schwarzwald-Menü auch unsere Verbundenheit mit der Heimat demonstrieren.“ Hagen-Wiest ist alles andere als ein Dogmatiker am Herd, seine kreativen, auch ästhetisch fürs Auge geformten, Gerichte spiegeln Weltoffenheit auf Basis der klassischen Haute Cuisine wider. Ein schönes Beispiel dafür ist etwa der sanft pochierte Schwarzwälder Bachsaibling mit mildem asiatischen Daikon-Rettich im Reis-Dashi (Fischsud). Für die Mayonnaise zum Saibling verwendet Hagen-Wiest eine ursprünglich japanische Miso-Würzpaste, die aber in diesem Fall im heimischen Schwarzwald aus Reis, Gerste, Soja oder Lupinen fermentiert wird. „Das Grundprodukt ist, wenn die Qualität stimmt, immer von hier“, sagt er, „aber die Zutaten können aus der ganzen Welt stammen.“ Eine friedliche Koexistenz also aus regionaler und internationaler Küche.

Wir erleben eine harmonische, auf das Produkt fokussierte Stilistik, in der Hagen-Wiest mit Aromen und Geschmacksfacetten jongliert, ohne verspielt und gekünstelt zu sein. „Weniger ist mehr“, heißt sein Motto. Wie er etwa im „Around-the-World-Menü“ die Gänseleber-Kugel mit einem Chutney aus Birne und Passionsfrucht füllt und sie mit Pata-Negra-Schinken umwickelt. Da kommen Süße, Säure und auch eine Spur Salzigkeit zusammen. Und dann seine komplexen Saucen: Man möchte gar nicht mehr aufhören, den Safran-Sud zum Steinbutt auf Rucola-Graupen auszulöffeln …

Optimaler Genuss und handwerkliche Perfektion bleiben bis zum Schluss auf konstantem Niveau, wenn die farbenfrohen, köstlichen Desserts aus der Werkstatt von Chef-Pâtissier David Mahn auf den Tisch kommen. Ein Könner, der im Finale des Wettbewerbs „Pâtissier des Jahres 2015“ den zweiten Platz unter den besten Acht belegte. Zusammen mit Hagen Wiest startete er 2012 im „Ammolite“. Da darf der dritte im Bunde aus der Gründungs-Crew nicht fehlen: Marco Gerlach, der Restaurantleiter & Sommelier. Mit viel Charme, souveräner Leichtigkeit und einer fulminanten Weinbegleitung leitet Gerlach das Restaurant. Sein schlichtes Credo: „Ich möchte Gäste glücklich machen.“ Und man glaubt ihm aufs Wort, wenn er davon spricht, dass auch er selbst Glücksmomente erlebt.

Dann nämlich, wenn Gäste etwas mürrisch zur Tür hineinkommen und nach einem exzellenten Abend zufrieden wieder nach Hause gehen. Gerlach versteht es, geschickt die Balance zu halten: „Ich muss sowohl die Gourmets ansprechen, die gezielt ein Zwei-Sterne-Restaurant aufsuchen, als auch die Besucher des Parks, die sich vielleicht das erste Mal dieses Vergnügen gönnen.“ Diese Gratwanderung gelingt optimal, und sicher trägt dazu auch das so genannte „Casual Fine Dining“ bei: Entspannt, ohne zwanghafte Rituale und steifes Gebaren, gleichwohl wie am Schnürchen soll der Service ablaufen. Das macht das Team hier perfekt – und schaut auch mal diskret darüber hinweg, wenn ein Gast im allzu lockeren Freizeitdress erscheint, weil dies doch ein Freizeitpark ist …

Das Team von Ammolite

Ebenso wie Hagen-Wiest betont auch Gerlach, dass er das uneingeschränkte Vertrauen der Familie Mack besitze. Sicher, auch ein „Ammolite“ muss betriebswirtschaftlich arbeiten, aber noch viel wichtiger ist für Thomas Mack, dass sich nach der Sterne-Vergabe auch die anderen Köche der à-la-Carte-Gastronomie im Park herausgefordert fühlten. „Das war wie ein Ansporn: ‚Komm‘, wir können doch auch gut kochen!“ Wie geht es weiter mit dem „Ammolite“? Sind Träume erlaubt? Für Peter Hagen-Wiest ist klar, „dass wir uns auf diesem Niveau stabilisieren wollen“. Und Thomas Mack will keinen Druck ausüben – „das war vor den Sternen schon so und wird es auch bleiben“. Hat er noch Wünsche? „Das Restaurant ist sehr gut gebucht, aber es gibt auch nach sechs Jahren bei vielen immer noch die irrige Annahme, dass man das Lokal nur durch den Park erreicht. Dabei kann man von den Parkplätzen vor dem „Bell Rock“ aus durch die Lobby des Hotels direkt ins ‚Ammolite‘ gehen.“ Man spürt die Leidenschaft von Thomas Mack, wenn er von seinen „Babies“ erzählt, vom „Bell Rock“ und dem „Ammolite“, die seine Handschrift tragen. Und davon, dass er seinen Vater, der schließlich als
„Gastronom des Jahres 2017“ geehrt wurde, überzeugen konnte. Roland Mack war, als die Sterne über dem „Ammolite“ leuchteten, nur noch stolz.