Die Sage von Europa
Wo hat unser Kontinent seinen Namen her und was hat das mit einem Stier zu tun?

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Warum heißt Europa eigentlich Europa? Ganz gesichert lässt sich das nicht beantworten, zu weit zurück in der Zeit liegen die Ursprünge. Immerhin hat der Begriff Europa seine Wurzeln bereits bei den antiken Griechen, auch wenn weder sie noch die alten Römer sich als „Europäer“ gesehen oder bezeichnet haben. Nach einem eher nüchternen Erklärungsansatz ist Europa eine Ableitung des griechischen Wortes „erebos“. Es steht für „das Dunkel, Schattenreich, Unterwelt“ und deutet darauf hin, dass die Griechen das, was nördlich ihrer Hochkultur lag, mit Misstrauen, Vorsicht und Verachtung betrachteten. Dort lebten schlicht die Barbaren. Eine etwas gemäßigtere Erklärung ist mit den Phöniziern und in ihrem Wort „ereb“ für „Abend oder Sonnenunter- gang“ verbunden. Das Seefahrervolk benannte damit die Gebiete westlich der Ägäis als „Abendland“, in dem die Sonne untergeht – im Gegensatz zu „aszu“, dem Morgenland.

Der Gott und die Königstochter

Die romantischste Version zum Ursprung des Namens „Europa“ führt jedoch in die griechisch-römische Sagenwelt. Auch hier finden sich wieder etliche Versionen – so zum Beispiel von Europa als eine der 3.000 Ozea- niden, „heiligen Mädchen, die mit Apollo und den Strömen die Jugend der Welt nähren“, wie der Dichter Hesiod 700 vor Christus schrieb. In dem bekanntesten Ursprungsmythos aber ist Europa die Tochter des phönizischen Königs Agenor. Sie war weithin berühmt für ihre Schönheit. Als Zeus, der oberste aller Götter, die schöne Europa das erste Mal sah, verlieb- te er sich auf der Stelle in sie. So erzählen es Homer und Ovid. Zeus wusste, dass Europa Tiere liebte. Um ihr zu gefallen, verwandelte er sich in einen prächtigen weißen Stier. Aber natürlich auch, um seine argwöhnische Gattin Hera hinters Licht zu führen.

Vielfältige Deutungen


Die List ist erfolgreich. Europa setzt sich auf den Rücken des scheinbar zahmen Stiers und Zeus schwimmt mit ihr auf die Insel Kreta. Dort legt er seine Stiergestalt ab, offenbart sich und aus der Verbindung gehen schließlich drei Söhne hervor: Minos, Rhadamanthys und Sarpedon. Die ältesten erhaltenen Darstellungen der Europa sind auf Vasenmalereien zu finden, die vor 2.700 Jahren entstanden. Min- destens so lange wird der Mythos auch immer wieder neu und anders gedeutet. Von den einen als eine prickelnde erotische Geschichte von Göttern, Entführung, Liebe und Meer und von den anderen so, wie vom italienischen Renaissancemaler Tizian (1488-1567) in seinem Gemälde „Der Raub der Europa“, das sich heute im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston befindet. Darauf krallt sich die Europa angsterfüllt und entsetzt an den Hörnern des wild davonspritzenden Stiers fest. Raub, Gewalttat, Verführung oder Liebesakt: So vielfältig wie Europa immer gewesen ist, so lädt eben auch der Mythos von Europa zu sehr unterschiedlichen Interpretationen ein.