Hurster Glocke als Erinnerung

Mit ihren knapp 30 Zentimetern war sie weder schwer noch mächtig. Vielmehr konnte sie von der Küche aus geläutet werden. Aber sie war reichlich verziert und die angebrachte Jahreszahl führte weit in die Vergangenheit: Die originale Glocke vom Hurster Hof stammte aus dem Jahr 1739. Vielen Menschen hat sie zur Geburts- und Sterbestunde geläutet oder an Weihnachten, zur Hochzeit und zum Erntedank. 1905 gelangte sie aus einem kleinen Schloss zum Hurster Hof bei Lahr. Lange gab es in der nach Offenburg zweitgrößten Ortenau-Stadt nur eine Glocke, die früher gegossen worden war, doch inzwischen ist sie verschwunden.
Dafür weist eine Nachbildung im Europa-Park Erlebnis-Resort auf ihre bewegte Geschichte hin: Wer am See zwischen der Wasserwelt Rulantica und dem Hotel „Krønasår“ entlang schlendert, kommt daran vorbei. Die kleine Glocke hängt mit einem dickem Seemannstau an einem Holzgestell und lässt sich zum Erklingen bringen. Auch die Kopie lässt die Gedanken in die Vergangenheit schweifen. Denn dort, wo heute die Wasserwelt steht, gab es früher Felder – und wiederum den Hurster Hof.

Der Nato im Weg
Zur feierlichen Einweihung der Glocke erklärte die Ortsvorsteherin von Lahr-Langenwinkel, Annerose Deusch,
was es mit Hof und Glocke auf sich hat. Denn auch mit ihrem Ort sind beide eng verbunden. Besonders durch den Kalten Krieg. Damals stand das Dorf Langenwinkel, dessen Ortsvorsteherin heute Annerose Deusch ist, dem Lahrer Nato-Flughafen im Weg. Über das Örtchen donnerten Düsenjäger, die den Militärflugplatz ansteuerten. Manchmal flogen sie so tief, dass Ziegel vom Dach und Gläser aus der Kommode fielen. Einmal gab es sogar einen „mordsmäßigen Knall“, als ein Flugzeug auf die nahe Landepiste krachte, das Dorf kam mit dem Schrecken davon.

Neue Glocke, aber uralte Geschichte: Annerose Deusch, die Ortsvorsteherin von Lahr-Langenwinkel, und Roland Mack bei der feierlichen Einweihung der Glocke vom Hurster Hof, die nun am See zwischen Rulantica und dem Hotel „Krønasår“ zu finden ist.

Nach langem politischem Ringen wurde schließlich die Umsiedlung von Langenwinkel beschlossen. Und hier kommt der Hurster Hof wieder ins Spiel. Ausgerechnet das Gelände um den Hof wurde nämlich als Ausweichstandort auserkoren. Dort bauten die Einwohner ihr Dorf bis 1971 neu auf. Der Hurster Hof mit seiner Glocke, dessen Geschichte bis ins Mittelalter zurückreichte, musste weichen und wurde abgerissen. Die Pächterfamilie fand eine neue Bleibe in Rust – eben an jener Stelle, an der heute Rulantica steht. Die alte Glocke zog mit der Betreiberfamilie ebenfalls auf den „Neu- Hurster-Hof“. Als der Europa-Park in die Wasserwelt investierte, endete seine Geschichte jedoch endgültig – natürlich angemessen entschädigt.

Zweifacher Nachguss – zweifache Erinnerung

Doch niemals geht man so ganz. 50 Jahre nach ihrem Umzug zur neuen Ansiedlung erinnerten die Bürger von Langenwinkel mit einem bunten Fest an die Verlegung ihres Dorfes. Zu diesem Anlass ließen sie auch eine neue Glocke für den Friedhof gießen. Sie ist der Glocke nachgebildet, die einst zum Hurster Hof gehörte. „Als Vorlage diente ein Bild aus einem Buch zur Dorfgeschichte“, erklärt Annerose Deusch.
 

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Als die Familie Mack von dem Nachguss erfuhr, beauftragte sie kurzerhand die Glockengießerei, eine zweite Glocke zu fertigen. „Ich habe bei der Familie Mack bereits vor mehreren Jahren nach dem Verbleib der Original-Glocke nachgefragt“, sagt die Ortsvorsteherin. Die ehemalige Pächterfamilie habe damals schon erklärt, dass sie nicht mehr in ihrem Besitz sei. „Sie ist nicht mehr auffindbar“, bedauert Deusch. Dafür wird nun gleich an zwei Orten die Erinnerung an die Glocke vom Hurster Hof aufrechterhalten.

 

Von Christoph Ertz