Einst war die Erlebnisregion ein Tabakland

Einst sicherte der Tabak vielen Menschen entlang des Rheins die Existenz. In Mahlberg bewahren das „Oberrheinische Tabakmuseum“ und in Herbolzheim der „Tabakweg“ die kulturhistorische Erinnerung daran.

Wieder einmal war Kolumbus „schuld“! Den Seeweg nach Indien hat der Seefahrer bekanntlich nicht gefunden, dafür aber eine in Europa bis dahin unbekannte Pflanze. „Männer und Frauen trugen kleine glimmende Feuer in der Hand, die von wohlriechendem Kraut herrührten“, beschrieb ein zeitgenössischer Bericht eine Gewohnheit, auf die der Entdecker 1492 stieß, als er auf einer Insel landete, die heute Kuba heißt. „Sie nannten diese Blattrolle Tobago.“ In der Folge kam der Tabak zusammen mit der Kartoffel übers Meer nach Europa.

„Jean Nicot, der Gesandte Frankreichs am spanischen Königshof, empfahl seiner Königin Katharina de Medici im Jahre 1560 das Schnupfen von Tabak gegen ihre Migräne“, erklärt Patrick Benz, Leiter des Oberrheinischen Tabakmuseums in Mahlberg. Bis zur Rheinebene drang der Tabak dann im Dreißigjährigen Krieg vor. Durchziehende Soldaten brachten das Rauchen mit. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die gesamte Region des Dreiländerecks von Südbaden bis weit hinauf in die Pfalz zu einem wahren Tabakland.

„Der Tabak verschaffte dem Gebiet sogar eine wirtschaftlich so sichere Stellung, dass es hier, anders als etwa im Schwarzwald, nicht zu einer massenhaften Auswanderung nach Amerika kam“, beschreibt Benz die damalige Bedeutung des Tabaks. Tabakfelder und -schuppen sowie die „Stumpenfabriken“, in denen Zigarren und Zigarillos hergestellt wurden, waren typisch für die gesamte Gegend. Um das Jahr 1900 gab es allein zwischen Offenburg und Freiburg 300 größere Tabakfabriken und ungezählte kleine handwerkliche Betriebe. In Orten wie Rust war noch 1925 fast die Hälfte aller Erwachsenen in der Tabakindustrie beschäftigt.

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Patrick Benz, Leiter des Oberrheinischen Tabakmuseums in Mahlberg

Die Erinnerung bewahren

Inzwischen sind die Tabakfabriken aber längst verschwunden, auch Tabakpflanzer muss man mit der Lupe suchen. Der jahrzehntelange Niedergang setzte etwa ab 1960 ein: Durch das unvorsichtige Hantieren eines Wissenschaftlers an der Bundesanstalt für Tabakbau in Forchheim gelangten damals Blauschimmelpilze ins Freie. Die dadurch verursachte Blauschimmel-Katastrophe vernichtete die Existenzgrundlage vieler Betriebe. „Heute hat der Tabak aufgrund seiner Gesundheitsgefährdung ein schlechtes Image“, weiß Benz. „Aber es wäre schade, wenn seine historische Bedeutung in Vergessenheit geraten würde.“ Schließlich dürften sich in den allermeisten Familiengeschichten am Oberrhein Vorfahren finden, die irgendwann einmal mit der von Kolumbus für Europa entdeckten Pflanze zu tun gehabt haben.

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Tabak wird zum Trocknen aufgehängt.

Ehrenamtlich leitet Benz eine Einrichtung, die genau dieses kulturelle Vermächtnis im Gedächtnis erhalten möchte: das „Oberrheinische Tabakmuseum“ in Mahlberg. In den Räumen einer ehemaligen Zigarrenfabrik mit vier Etagen, nebst einem Tabakschopf, kann der Besucher seit 1992 auf einer Ausstellungsfläche von rund 1.700 Quadratmetern das Thema Tabak in seiner ganzen Vielfalt erkunden. Mehr als 10.000 Exponate bedeuten die wohl weltweit größte Sammlung ihrer Art.

Die Belegschaft einer Tabakfabrik bei der Arbeit

Besucher staunen über die traditionelle Verarbeitungen der Tabakpflanzen

Kurioses

Zu sehen sind in dem von der Stadt Mahlberg und einem Förderverein finanzierten Museum unter anderem Arbeitstische, Formen, Pressen und Waagen, mit denen auch typische Arbeitssituationen dargestellt werden, sowie eine umfangreiche Pfeifensammlung aus Holz, Ton, Porzellan und Meerschaum. Früher gängiges Raucherwerkzeug wie Tabaksgefäße und Tabaksbeutel, Zigarrenspitzen, Pfeifenbestecke oder Zigarrentaschen gehören ebenso zur Ausstellung wie ganze Rauchergarnituren.

„Zum Rauchen wollen wir aber niemand animieren“, betont Benz. Selbstverständlich darf im Museum auch nicht geraucht werden. Ebenfalls verheerend wäre Schimmel. Deshalb ist die Sammlung im Winterhalbjahr nur in Ausnahmefällen für Besucher geöffnet.

Die längste Zigarette der Welt 

Dafür gibt es einige Kuriositäten zu entdecken: eine Pfeife von Herbert Wehner, eine Zigarre des ehemaligen kubanischen Staatschefs Fidel Castro, eine Menthol-Zigarettenpackung von Helmut Schmidt oder Zigarren von Wirtschaftswunder-Kanzler Ludwig Erhard und Altbundeskanzler Gerhard Schröder. Zudem lassen sich „der älteste Zigarettenautomat der Welt“, eine unversehrte Tüte Tabak von 1780 oder die in den 1980er Jahren von einem Mahlberger für das Guinessbuch der Rekorde gedrehte „längste Zigarette der Welt“ bestaunen. In einem an seinem ursprünglichen Standort ab- und in Mahlberg wieder aufgebauten Trockenhaus beziehungsweise Tabakschopf fällt der Blick ebenfalls zur Decke auf zur Trocknung aufgehängte Tabakblätter – so als stünde diese Landwirtschaft noch in ihrer Blüte. Außerdem werden Techniken präsentiert, wie die Blätter traditionellerweise auf Schnüre eingefädelt wurden.

Tabak-Stadt Herbolzheim 

In der Erlebnisregion bringt die Besucher besonders auch noch der „Tabakweg“ in Herbolzheim auf die Spur der Kulturgeschichte des qualmenden Krauts. Die erste Zigarrenmanufaktur in Herbolzheim wurde 1854 gegründet. 1866 folgte die nächste und 1873 die dritte. Mit rund 5.000 Beschäftigten im Ort und in umliegenden Niederlassungen hatten die drei Tabakgrößen Herbolzheims nahezu in jeder Familie mindestens eine Person, die ihr Einkommen in der Tabakbranche bestritt. Auf dem „Tabakweg“ ist zu entdecken, wie diese Zeit das Stadtbild und die Menschen bis heute prägt. An 24 Stationen entlang führt der Weg direkt durch die Stadt, vorbei an geschichtsträchtigen Stellen mit herrlichen Ausblicken auf die Tabak-Stadt Herbolzheim.

Auch in Ringsheim, wo die letzte Zigarrenfabrik 1985 ihre Produktion einstellte, künden noch einige Tabakschöpfe von der Tabaktradition. Zudem gibt es hier mit dem Weingut Kreis sogar einen Betrieb, der neben Wein heute noch Tabak anbaut. Darüber hinaus erweist auch der Europa-Park der Pflanze, mit der noch vor hundert Jahren so viele Menschen am Oberrhein ihr Geld verdienten, seine Referenz: mit einem Mitarbeiterwohnhaus im Stil eines historischen Tabakschopfes. Die raffiniert gestaltete Holz-Fassade versetzt den Betrachter in eine Zeit, als der Oberrhein noch ein Tabakland war.

Tabak-Buch

Über 150 Jahre hinweg hat der Tabak die Region geprägt. Erfahren Sie im Buch „Tabak in Herbolzheim – von anno Düwag bis heute“ Wissenswertes, Interessantes und Kurioses über Tabakanbau und -verarbeitung in Herbolzheim und Umgebung und lernen Sie die wichtigsten Familien und Protagonisten kennen, aus einer Zeit, „als Rauchen noch nicht gesundheitsschädlich war“.

Info

Kirchstraße 4
Öffnungszeiten: 01. Mai bis 30. September
sonn- und feiertags jeweils von 10 bis 17:00 Uhr.
Außerhalb dieser Zeiten kann das Museum an Sonn- und Feiertagen nach Voranmeldung für Gruppenführungen ab zehn Personen gebucht werden. www.tabakmuseum-mahlberg.de

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