Einzigartiger Klimaretter

Das faszinierende Hochmoor auf dem Kaltenbronn ist eines der letzten in Europa

Treffen sich ein Mönch, ein Bademeister und ein Papiermacher am Wildsee auf dem Kaltenbronn: Was wie eine Witz-Einleitung klingt, ist eine witzige Sequenz des pfiffigen Zeichentrickfilms zur Geschichte des Kaltenbronns. Dass sich in fast 1.000 Metern Höhe die „scheußliche Gegend an der badischen Grenze“ (Philosoph Ludwig Röder, 1822) zu einem Besuchermagneten entwickelt hat, ist nämlich der Initiative der Gemeinden Enzklösterle und Bad Wildbad sowie der Papiermacherstadt Gernsbach zu verdanken, deren fiktive Repräsentanten sich bei der Lobpreisung ihrer Heimatorte fast in die Haare geraten, bis die Schönheit des Sees und seiner Umgebung sie wundersam friedlich stimmt.

Der Kaltenbronn ist eines der letzten intakten Hochmoore Europas mit einer unglaublichen Faszination auf die Besucher: Jährlich besuchen mittlerweile rund 300.000 Menschen den Kaltenbronn. „Das Moor verändert jeden Tag sein Gesicht.“ Kristina Schreier dürfte wie kaum jemand sonst – außer ihrer Kollegin Renate Fischer – wissen, was es mit dieser ganz besonderen Landschaft auf sich hat. Die zertifizierte Waldpädagogin und Försterin stammt aus Gernsbach und hat sich schon während ihrer Kindheit und Jugend auf dem Kaltenbronn getummelt. Als Leiterin des 2007 eröffneten Infozentrums möchte sie mit ihrem Team von Waldpädagogen, Biologen, Förstern, Erziehern und Schwarzwald-Guides Kindern und Erwachsenen nicht nur die Schönheiten von Wald, See und Moor mit ihrer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt näherbringen, sondern auch die wichtige Rolle, die Moor und Moos für den Klimaschutz und im Klimawandel spielen.

Kristina Schreier und Renate Fischer ist natürlich nur zu gut bewusst, dass sich rund 12.000 Jahre Zeitgeschichte seit Entstehung der Moore nicht so einfach umfassend vermitteln lassen – aber zumindest das Interesse und im Idealfall die Lust auf mehr Wissen können geweckt werden. Und entdecken lassen sich in dem rund 1.750 Hektar großen Natur- und Waldschutzgebiet Kaltenbronn bis zum Hohlohsee fast unendlich viele Themenbereiche von Natur, Kultur, Sport und Spiel.

Jagdgebiet des „Türkenlouis“
„Gibt es hier Moorleichen?“ Diese mit wohligem Gruseln gestellte Frage kommt mit fast hundertprozentiger Sicherheit bei jeder Führung. Bisher jedenfalls nicht – aber ganz ungefährlich ist der Gang durchs Moor nicht, wenn man vom gesicherten Pfad abweichen sollte. „Und Leute mit Flip-Flops nehmen wir auch nicht mit“, betont Schreier, die sich amüsiert, wenn blütenweiße Sneaker anschließend deutliche Moorspuren aufweisen. Im Prinzip können sich Besucher das ganze Jahr über von einem der vielen Parkplätze entlang der Kaltenbronner Straße auf den Weg machen. Die Karte „Wandern in sensibler Natur“ gibt einen umfassenden Überblick über Erlebnispfade, Rundwege und Attraktionen. Ausgangspunkt für Führungen ist das Infozentrum, wo sich Luchs, Auerhahn, Hase und Fuchs nicht nur gute Nacht sagen: Das ehemalige Jäger-Gästehaus im Jagdgebiet des „Türkenlouis“ bietet mit seiner Dauerausstellung sowie den wechselnden Themenausstellungen und dem neuen Luchs-Info-Point auch bei schlechtem Wetter umfassende Informationen samt Spiel- und Experimentierstationen.

Riesige Wassermengen gespeichert
„Ohne Moos nix los“: Der alte Kalauer gewinnt bei den Führungen und Ausstellungen eine durchaus ernste Bedeutung: Moospflanzen mögen es nass und kühl. Das Torfmoos kann riesige Wassermengen speichern – das bis zu 30-fache seines eigenen Gewichts. Je trockener die Umgebung wird, desto größer wird die Gefahr des Absterbens. „Das Moos wird weiß und trocken,“ erklärt Schreier. Der Land- und Forstwirtschaft mussten in der Vergangenheit viele Moore weichen. Schätzungen gehen von zehn Prozent der globalen Moorfläche von 500 Millionen Hektar Zerstörung für forst- und landwirtschaftliche Nutzungen aus. Die dramatische Konsequenz: Werden Moore trockengelegt, setzen sie Treibhausgase frei und tragen so zur Verschärfung der Klimakrise bei, statt ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. 

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Der Hohlohturm im Hochmoorgebiet.

Intakte Moore ziehen beträchtliche Mengen Kohlendioxyd aus der Atmosphäre und speichern das Treibhausgas als Kohlenstoff im Torfboden. Werden sie zerstört, wird CO2 in großen Mengen freigesetzt, trockene Moore werden auch anfälliger für emissionshaltige Torfbrände.

Auch das Kaltenbronner Hochmoor wurde im 19. Jahrhundert von einem Netz von Entwässerungsgräben durchzogen. Torfstechen war ein anstrengendes, aber, im Vergleich zu Holz und Kohle, relativ billiges Mittel zur Heizmaterialgewinnung. Der Plan, das Moor wie so viele andere deutsche Moore trocken zu legen, wurde aber aufgegeben und damit ein kostbares Naturgut erhalten. „Wiedervernässung“ lautet das Stichwort zur Erhaltung der Moore und ihres Tier- und Pflanzenreichtums.
Um diesen Reichtum geht es auch bei der neuen Sonderausstellung „Biodiversität“ ab 29. November im Infozentrum. Workshops, Seminare und Veranstaltungen im Zentrum und dem herbstlichen Wald greifen das Thema in Theorie und Praxis auf. Und als stille Alternative bietet sich zu jeder Jahreszeit eine kleine Auszeit am magischen Wildsee an.

www.infozentrum-kaltenbronn.de

Irene Schröder