Ohne Ehrenamt – kein Handwerk

Mit einer Ehrenamtsakademie verbessert das Handwerk in Baden-Württemberg die Bedingungen für das freiwillige Engagement / Die Handwerkskammer Karlsruhe hat an der Entstehung maßgeblich mitgewirkt

Die Sitzung ist irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Der Zeiger zeigt bereits deutlich nach 22 Uhr, aber die Kollegen haben sich regelrecht in ein Detail verbissen. Und es stehen noch weitere Punkte auf der Tagesordnung, die Unzufriedenheit im Raum ist förmlich greifbar. Neben ungeschicktem Zeitmanagement können beispielsweise noch Lampenfieber vor Reden und mangelndes Wissen über die rechtliche Lage gravierende Unsicherheitsfaktoren für Ehrenamtliche sein. Wer sich in solchen Situationen wiederfindet, hat schnell das Gefühl, mit seinem Ehrenamt etwas falsch gemacht zu haben: „Warum tu ich mir das an?“

Abhilfe gegen derartige Frustmomente finden Handwerker in der „Ehrenamtsakademie für das Handwerk in Baden-Württemberg“. Sie richtet sich an alle Handwerker im Südwesten, die sich ehrenamtlich engagieren: Vorsitzende, Vorstands-, Ausschuss- und Gremienmitglieder der Handwerkskammern, Kreishandwerkerschaften, Innungen und Fachverbände sowie Mitglieder in Prüfungsausschüssen und Vollversammlungen. Handwerkern, die sich erst noch für die Übernahme eines Ehrenamts interessieren, bietet die Akademie ebenfalls Unterstützung. „Auch wenn es in der öffentlichen Debatte um das Ehrenamt gerne vergessen wird, tausende Menschen engagieren sich fürs Handwerk“, sagt Rainer Reichhold, Präsident vom Dachverband Handwerk BW (Baden-Württembergischer Handwerkstag), der die Ehrenamtsakademie organisiert. „Auch diese ehrenamtlichen Strukturen benötigen Zukunftsorientierung und Nachhaltigkeit.“

Notwendig für die staatlichen Aufgaben des Handwerks
Die vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium und aus dem Handwerk geförderte Initiative ist als Reihe von Seminaren konzipiert, die in den Bildungsakademien der acht baden-württembergischen Handwerkskammern gastieren. „Es geht darum, den Ehrenamtlichen das Leben leichter zu machen“, sagt Projektleiter Raphael Wohlfahrt. Aktuell können die Interessenten aus drei verschiedenen Seminarformaten auswählen: „Einführung ins Ehrenamt“, „Versammlungsleitung und Delegation“ sowie „Rhetorik, Medien- und Bühnenauftritte“. Alle Seminare seien gut besucht, so Wohlfahrt. „Ohne Ehrenamt – kein Handwerk“, betont er. Denn die Selbstverwaltung des Handwerks basiert auf einem umfangreichen ehrenamtlichen Engagement. Hoheitliche Aufgaben, die der Staat an Kammern und Innungen übertragen hat, können nur mit ehrenamtli- chen Praktikern erledigt werden. Beispielsweise bei der Besetzung von Ausschüssen der Meister- und Gesellenprüfungen leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Ausbildung und damit zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses.

Mit der Zeit gehen
Rund 10.000 Handwerkerinnen und Handwerker engagieren sich in Baden-Württemberg in einem Ehrenamt. Generell ist das freiwillige Engagement zwischen Hohenlohe und Bodensee noch immer hoch. Insgesamt ist etwa die Hälfte aller Menschen ab 14 Jahren im Land ehrenamtlich aktiv. Damit liegt Baden-Württemberg bundesweit mit Abstand an der Spitze. „Doch wir müssen auch mit der Zeit gehen“, betont Wohlfahrt. „So werden Sie kaum noch junge Leute finden, die 30, 40 Jahre lang Obermeister bleiben wollen. Der Trend geht mehr zu einem projektbezogenen Engagement.“ Ein Ausweg könne ebenfalls darin bestehen, beispielsweise die Aufgaben eines Obermeisters auf mehrere Schultern zu verteilen.
„Jeder hat was von den Seminaren“, sagt Wohlfahrt. Die Teilnehmer würden die Veranstaltungen auch zum Erfahrungsaustausch und Netzwerken nutzen. Die Eröffnungsveranstaltung fand Ende 2023 im Haus des Handwerks in Karlsruhe statt. „Es kann nicht hoch genug bewertet werden, was von Handwerkerinnen und Handwerker an ehrenamtlichem Engagement in Baden-Württemberg eingebracht wird und zwar neben ihrem täglichen und aufreibenden Alltagsgeschäft“, betonte dabei Michael Kleiner, Ministerialdirektor im baden-württembergischen Wirtschaftsministerium.

 

Guter Dinge
Die Handwerkskammer Karlsruhe hat maßgeblich zur Einführung der Ehrenamtsakademie beigetragen. „Die Handwerksorganisation lebt von ehrenamtlichen Helfern“, betont auch Walter Bantleon, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Karlsruhe. „Mit der Ehrenamtsakademie des Handwerks gewinnen wir Ehrenamtliche, unterstützen sie und geben ihnen Anerkennung.“ Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Report steht noch nicht fest, ob das Land Baden-Württemberg die Ehrenamtsakademie über das Jahr 2024 hinaus fördert. „Wir sind aber guter Dinge, dass wir eine weiterführende Anschlussfinanzierung realisieren werden“, erklärt Projektleiter Raphael Wohlfahrt.

Christoph Ertz 

Weitere Informationen:
www.ehrenamt-handwerk-bw.de

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Walter Bantleon, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Karlsruhe.