Was wäre die Welt ohne Handwerk?

Gespräch mit Handwerkskammerpräsident Joachim Wohlfeil und Maurermeisterin Julia Schäfer über Ehrenamt und Karriere im Handwerk, die Flut von Vorschriften und die Chancen von Social Media / Mit Zuversicht in die Zukunft

Mehr als 45 Jahre sind Sie im Handwerk tätig, davon 25 Jahre als Präsident und 45 Jahre im Ehrenamt. Wenn Sie heute zurückblicken: War es richtig, so intensiv in das Ehrenamt einzusteigen?
Joachim Wohlfeil: Ich habe mit dem Obermeister einer unserer Innungen „Sanitär, Heizung, Klima“ begonnen, danach kam die Kreishandwerkerschaft, das war die politisch-örtliche Ebene. Es folgte die Wahl zum Präsidenten der Handwerkskammer Karlsruhe, die für vier Land- und drei Stadtkreise zuständig ist. In allen Stufen hat man sich weitergebildet und Erfahrungen gesammelt, einen Weitblick gewonnen und viele neue Kontakte geknüpft. Ich habe mich um Neuerungen gekümmert und die Leute mitgenommen, sowohl vom Fachhandwerk als auch die anderen Gewerke. Als Präsident muss man politisch die Meinungen abfragen. Insofern war und ist es eine sehr spannende Aufgabe. Wo es manchmal ein paar Höhen und Tiefen gab, war der Stress im Unternehmen. Aber das hat sich im Laufe der Jahre auch eingespielt, da wir im Unternehmen als eingespieltes Team arbeiten.

Unterm Strich hat sich das ehrenamtliches Engagement über so lange Zeit also ausgezahlt?
Wohlfeil: Ja! Durch die ehrenamtliche Mitarbeit in vielen Gremien und das Wirken in der Vorstandschaft habe ich vieles mitbekommen, was man sonst nicht auf dem Schirm hat. Es gab Termine in Berlin und Brüssel, ich habe mit Politikern geredet, viele interessante Menschen kennengelernt und dadurch zahlreiche Ideen in die ehrenamtliche Arbeit einbringen können.

Julia Schäfer, Sie sind Maurermeisterin und Influencerin. Wie hat Social Media Ihr Leben verändert?
Julia Schäfer: Das Wort Influencerin mag ich gar nicht. Vom Herzen her bin ich Maurermeisterin und ohne meine Arbeit könnte ich nicht sein. Social Media kam einfach mit der Zeit, da habe ich mich dann erstmal getraut, meinen Beruf zu zeigen. Am Anfang habe ich von meinen Freunden und Bekannten oft den Spruch gehört: „Für mehr als den Maurer hat es nicht gereicht.“ Ich habe dann nur gedacht – ihr wisst doch gar nicht, was wir alles draußen machen müssen. Dann habe ich langsam auf Social Media angefangen, es ist ineinander verschmolzen und eins geworden. Früher, als ich noch bei meinem Papa gearbeitet habe, habe ich von 6:30 bis 18:00 draußen auf der Baustelle gearbeitet und erst dann kam Social Media. 

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Meinen Beruf würde ich für kein Geld der Welt aufgeben. Für nichts. Es macht mir einfach Spaß, draußen mit meinen Kollegen zu schaffen. Es ist immer witzig. Wenn man das einmal gespürt hat, weiß man, welche Leidenschaft dahintersteckt.

Der Beruf steht ganz klar im Vordergrund, aber Social Media hat auch dazu beigetragen, dass Sie für das Handwerk und Ihren Beruf unglaublich viel Verständnis, Werbung und Informationen weitergeben. Es hat Ihnen auch viel Positives gegeben, oder?
Schäfer: Social Media hat natürlich seine positive Seite. Wenn ich nur eine Nachricht im Monat von einem Mädel oder einem Jungen erhalte, dass sie jetzt auch eine Maurerausbildung machen, dann weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Deswegen fange ich jetzt auch richtig mit Youtube an, um zu zeigen, was bei uns draußen wirklich abgeht, was man machen muss und kann. Darauf habe ich richtig Bock. Ich will irgendjemand da draußen motivieren, der dann sagt: Jetzt will ich auch auf die Baustelle.

Wohlfeil: Wir transportieren Leidenschaft.

Was sagt der Handwerkskammer-Präsident, wenn jemand und fragt, ob er ins Handwerk gehen soll und ob es damit überhaupt Zukunftschancen gibt?
Wohlfeil: Da würde ich spontan sagen: Ich habe es nie bereut. 

Schäfer: Ich auch nicht.

Wohlfeil: Obwohl ich über Umwege auf das Handwerk kam. Mein Vater hatte anfangs einen Ein-Mann-Betrieb, das ging aber nach zwei Jahren schlichtweg nicht mehr. Auch mit einem zweiten Mann nicht. Daraufhin habe ich mich selbst entschlossen – ich mache mit. Ich wollte aber nicht ewig ein Zwei-Mann-Betrieb bleiben. Ich war mit Engagement dabei und hatte immer mehr Spaß dabei gehabt. Das hat meinen Weg wunderbar geebnet.

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Wie ist die Wertschätzung des Handwerks bei Ihren Freunden oder jungen Leuten? Was sagen Sie in Ihrem Freundeskreis, warum Handwerk so toll ist?
Schäfer: Bei mir im Freundeskreis sind mehr Leute, die studieren. Das muss ich ehrlich zugeben. Ein Klassiker: Es kommt ein Statiker, der fünf oder sechs Jahre studiert hat, und klatscht mir einen Statikplan hin, hat aber keine Ahnung, wie wir das draußen auf der Baustelle einbauen. Meine Empfehlung, wenn Leute einen Bauberuf studieren wollen, ist, dass sie davor wenigstens eine Ausbildung machen oder davor zwei Jahre draußen schaffen sollen, um die Thematik zu verstehen. Erst danach sollten sie die Lizenz zum Studieren bekommen. Vielleicht entwickeln sie dann auch eine innere Leidenschaft und wollen gar nicht mehr studieren. Meine Freunde feiern mittlerweile, was ich mache und finden das richtig gut.

Wie können Sie andere junge Leute motivieren?
Schäfer: Sie sollen ein Praktikum machen. Dadurch können sie selbst schauen, ob der Beruf etwas für sie ist. Ich sage immer: Es kommen zehn Jungs und davon sind vielleicht zwei für den Bau geeignet. Genau dasselbe bei den Mädels. Der Rest sollte etwas Anderes machen. Aber das ist in Ordnung! Der Bau ist nicht für jeden etwas. Jeder sollte selbst schauen, was ihn erfüllt. Meine Eltern haben mich immer laufen und mitschauen lassen, zum Beispiel bei meinem Papa, auch daheim beim Putzen und Kochen. Dadurch habe ich gemerkt, dass mir der Bau viel Spaß macht.

Wohlfeil: Aber du musst auch körperliche Arbeit leisten können.

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Schäfer: Die ersten Monate in der Ausbildung waren heftig für meinen Körper. Ich hatte Muskelkater ohne Ende. Aber auch unsere jungen Azubis, die Jungs, haben Muskelkater. Das macht keinen Unterschied.

Warum ist es nach wie vor so schwierig, Nachwuchs zu finden?
Wohlfeil: Das ist ein gesellschaftliches Problem. Die Eltern wollen, dass ihre Kinder studieren. „Meine Tochter studiert“, „Mein Sohn ist in der Uni.“, „Sie machen Karriere“ – das hört sich einfach gut an. Obwohl wir ja wissen, dass nicht alle auf diesem Weg Karriere machen. Gerade eine Ausbildung im Handwerk bietet jede Menge Karrierechancen – diese Botschaft muss noch viel mehr in die Köpfe der Eltern. Akademische und berufliche Ausbildung sind gleichwertig, das muss immer betont werden. Wie Julia gesagt hat, die Begeisterung muss von uns, vom Handwerk, kommen.
Als wir mit unserer Kampagne begonnen haben, haben wir über die Jahre viel Geld investiert. Ich habe immer gesagt, wenn unsere 600.000 Lehrlinge durch die Welt gehen und erzählen würden: „Handwerk ist toll“, dann bräuchten wir das Geld gar nicht und könnten es anders ausgeben. Aber dadurch, dass ich selbst Ausbilder bin, wie auch Julia, hatte ich immer das Erlebnis, dass das erste halbe Jahr hart ist. Da ist alles schwer. Aber im zweiten oder dritten Lehrjahr können sie etwas. Da beginnt bei ihnen der Spaß und die Motivation.

Man sagt „Handwerk hat goldenen Boden“. Da ist etwas Wahres dran. Im Handwerksbetrieb kann man durchaus zu einem guten Einkommen kommen.
Wohlfeil: Wer gute Arbeit leistet und Qualität verkauft, der kann erfolgreich und stolz sein und hat mit Sicherheit auch ein gutes Einkommen und einen erfüllten Beruf.

Schäfer: Oftmals sieht der Rohbau nicht so elegant aus, wie der Innenausbau. Da hat man einen viel krasseren Vorher-Nachher-Effekt. Bei uns steht noch gar nichts, dann kommt der Rohbau, aber eigentlich machen die letzten Gewerke mit dem Feinschliff das Haus erst richtig hübsch. Betonieren ist eine Kunst.


Wie wichtig ist es für die Gesellschaft und die Wirtschaft in Baden-Württemberg, dass wir das Handwerk haben?
Wohlfeil: Wenn wir kein Handwerk/keine Handwerker hätten, würde das die Gesellschaft in weniger als einer Woche merken. Kein Bäcker, kein Metzger, kein Strom, kein warmes Wasser ... es wäre eine Katastrophe. Was wäre die Welt ohne das Handwerk! Das ist ein Teil unserer Kampagne. Dieses Bewusstsein haben wir vielleicht durch die Kampagne geschaffen. Dass der Bürger sieht, was die Welt eigentlich ohne das Handwerk wäre.

Schäfer: Nichts!

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Wohlfeil: Wer hat die Welt erbaut?

Schäfer: Der Handwerker. Wenn zu mir einer sagt: „Oh der dumme Handwerker, der dumme Maurer“, dann antworte ich mit: „Ist Dir schonmal eine Decke auf den Kopf gefallen? Nein? Dann hat der Maurer alles richtig gemacht.“

Wohlfeil: Du musst mit Stolz sagen, dass Du Handwerker bist. Und mit diesem Beruf auch gut verdienst. Und dahinter steckt harte Arbeit! Das Handwerk wird gebraucht. Es ist eine tragende Säule der Wirtschaft. Es gibt in Deutschland mehr als eine Million Handwerksbetriebe die fast 800 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften und wir sind mit einer Ausbildungsquote von 29 Prozent der Ausbilder Nummer Eins.

Handwerksbetriebe erbringen bei uns eine erstklassige Leistung. Stimmt es, dass die Löhne davongaloppieren? Selbst ein Handwerker hat manchmal Mühe, einen anderen Handwerker zu bezahlen. Wo führt das hin und was kann man dagegen tun?
Wohlfeil: Das ist scheinbar eine Spirale ohne Ende. Wenn es eine Lohnforderung gibt oder die Gewerkschaften und Tarifpartner das beschließen, dann müssen wir das in den Betrieben umsetzen und damit teilweise auch auf die Preise umlegen. Nicht immer lässt der Markt die Umlegung höherer Kosten zu 100 Prozent zu. Wir investieren in neue Technologien, bilden unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter, bezahlen Sozial- und Zusatzleistungen oder bilden aus – das alles kostet natürlich Geld. Das ist wie im Restaurant, da kostet jedes Gericht mittlerweile drei oder vier Euro mehr.

Müssen wir da eine Bremse ziehen?
Wohlfeil: Die Forderungen an den Staat sind beispielsweise auch, uns von den Steuern zu entlasten. Auch die Berge von Bürokratie sind ein Problem.

Schäfer: Oh ja, die Bürokratie. Es ist heftig, was mittlerweile alles an Informationen gebraucht wird. Ich kenne das von meinem Papa aus dem Geschäft. Was früher vor zehn oder 20 Jahren niemanden interessiert hat, wird mittlerweile alles gebraucht.

Wohlfeil: Bei uns muss alles dokumentiert sein. Man braucht ein Blatt Papier, um zu entschuldigen, wenn etwas passiert.

Wenn wir über Nachwuchs und Personalmangel reden, was ist mit der qualifizierten Zuwanderung? Wie sehen Sie das? Was sind Ihre Erfahrungen?

Schäfer: Wir haben mittlerweile circa vier Deutsche und der Rest sind Ausländer. Aber die haben auch Bock! Die lernen schnell Deutsch und dann schaffen sie. Denen ist nichts zu viel und sie verstehen ihr Fach. Es macht richtig Laune mit ihnen zu arbeiten. Sie wollen Geld verdienen und etwas leisten. Es ist fast traurig, dass wir Deutschen da so verwöhnt sind.

Wohlfeil: Wenn man zum Beispiel zu den Gerüstbauern schaut: Würden da alle Handwerker wieder zurück in ihr Herkunftsland gehen, dann hätten wir keine Gerüstbauer mehr. Auch wir haben welche in unserer Firma und das sind richtige Schaffer. Sie machen eine anspruchsvolle und auch schwere Arbeit und das nicht mit Frust, sondern gerne. Sie sind morgens pünktlich und kommen auch an einem Samstag.

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Nehmen Sie uns nochmal mit in ihren Beruf. Was ist besonders schön an der Arbeit als Maurermeisterin?
Schäfer: Beim Betonieren, wenn ich mein Fertigteil ausschale und dann sehe, wie es am Ende alleine dasteht – das ist für mich ein Glücksgefühl. Das könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen. Wenn beim Betonieren alles hebt, ich es ausschale und es danach aussieht, wie ich will, dann weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Das ist für mich Glück. Oder wenn wir mauern und alle zusammen am Ende sehen, dass wir heute den ganzen Stock hochgezogen haben. Das ist auch ein tolles Gefühl.

Wohlfeil: Das ist auch beim Kunden so. Die Wände stehen. Man kann sehen, das gibt das Schlafzimmer und das wird ein Kinderzimmer. Da ist ein Abschnitt fertig.

Schäfer: Oder der Kunde, der Bauherr, kommt im Sommer und bringt ein Eis vorbei. Und dann sagt er: „Oh, Ihr habt aber Vollgas gegeben.“ Das ist ein schönes Kompliment.

Wohlfeil: Das darf man nicht unterschätzen. Die Kommunikation mit den Kunden.

Schäfer: Auch das Arbeiten im Team ist toll. Man ist nie allein. Ich merke es, wenn ich draußen allein einschale, da ist man manchmal schon eingebunden. Aber wenn dann meine Kollegen rauskommen und mir helfen – dann läuft das viel schneller. Und es macht viel mehr Spaß.

Wohlfeil: Und die Zeit vergeht wie im Fluge.

Wir haben mit Ihnen, Joachim Wohlfeil, einen sehr erfahrenen Handwerker und Unternehmer hier. Was würden Sie, wenn Sie auf diese lange Zeit zurückblicken, anders machen? Was kann jemand, wie Julia Schäfer, von Ihrer großen Erfahrung lernen?
Wohlfeil: Ich würde es nicht anders machen. Nach meiner Meisterprüfung, die ich vorzeitig gemacht habe, habe ich damals 1974 händeringend zwei Lehrlinge gesucht. Und dann waren wir schon zu viert mit meinem Vater. Durch einen Zufall kam ein fünfter Mitarbeiter dazu. Durch permanente Ausbildung hat sich die Firma heute auf 74 Mitarbeiter erhöht. Und das mit Spaß. Du hast nicht darüber nachgedacht, ob das viel Arbeit oder Stress ist. Was man allerdings braucht, ist Kondition. „Heute will ich und morgen will ich nicht“ – das geht in einem Geschäft nicht. Du brauchst Power, auch für die Sieben-Tage-Woche. Der Sonntag gehört nie dir.

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Schäfer: Selbst und ständig – immer. Sonntags musst du dich um Bürosachen kümmern, die liegengeblieben sind.

Wo sind Ihre Ziele, wenn wir in die Zukunft blicken?
Schäfer: Gute Frage. Ich will meine eigene Firma vergrößern, die von meinem Papa übernehmen und diese beiden kombinieren. Das ist mein festes Ziel. Da habe ich richtig Lust drauf, auch wenn es vielleicht stressig wird. Aber ohne Stress würde es mir langweilig werden.

Wohlfeil: Was für mich wichtig war, ist der Umgang untereinander. Ich hatte Mitarbeiter, zu denen ich gesagt habe, wenn wir uns jeden Morgen in so einem rauen Ton begegnen, dann kann ich nicht mit ihnen arbeiten. Meine Mitarbeiter brauchen mich nicht umarmen oder küssen (lacht), aber ein normaler, höflicher Umgang ist wichtig. Dann haben wir Spaß zusammen. Wenn dieses Fundament einmal mit zehn Mann stand, dann hattest du ein Team, mit dem du Spaß haben kannst. Zum Schluss kann man sagen: Egal welche Politik uns regiert hat, das Handwerk hat weitergemacht. Ich habe einen Spruch von Tom Peters in meinem Büro hängen: „Ich weiß, warum kleine Firmen funktionieren – sie müssen.“

Sie haben sich für das Ehrenamt entschieden, um sich für das Handwerk einzusetzen und zu kämpfen. Image und Handwerk – das ist ja auch heute ein Thema. Was haben Sie für Ideen? Was muss das Handwerk tun, damit es die Wertschätzung bekommt, die ihm eigentlich gebührt?
Schäfer: Social Media gehört hier mittlerweile dazu. Es ist das junge Medium, hier erreicht man die jungen Leute am besten. Oder in der Schule. Wenn man in der Schule schon einführt, dass die Kinder und Jugendlichen in die Handwerksberufe reinschauen, wäre das von großem Vorteil. Ich war zuerst auf der Hauptschule, danach auf der Realschule und anschließend habe ich mein Abitur gemacht. In der Hauptschule hattest du noch Technik und dir wird gezeigt, wie man näht oder kocht. In der Realschule nichts mehr. Beim Abitur wird dir nur beigebracht, auswendig zu lernen – das bringt dir in der Zukunft auch nichts. In der Schule sollte man einen Einblick in die Handwerksberufe schaffen. Das wäre schön. Oder generell nicht nur in die Handwerksberufe, sondern einfach in andere Berufe.

Wohlfeil: Hier gibt es auch die politische Forderung, dass in einem Gymnasium Wirtschaft stärker integriert und ein Praktikumstag eingeführt wird. Auch für Gymnasiallehrer.

Herr Wohlfeil, Sie waren vor 50 Jahren zuversichtlich, dass das Geschäft geht und Zukunft hat. Sind Sie dies auch jetzt? In den nächsten 50 Jahren wird sich einiges verändern, aber wird es für das Handwerk immer etwas zu tun geben?
Wohlfeil: Ja, 100 Prozent.

Horst Koppelstätter 


Julia Schäfer
macht ihr Handwerk einfach glücklich und selbstbewusst – fester Händedruck inklusive. Ihre Entscheidung gegen ein Studium hat sie nie bereut. Sie geht darin auf, mit Kopf und Hand zu arbeiten und ist davon überzeugt: Irgendwann werden Handwerker mehr verdienen als Studierte. Sie rät daher auch allen, erst einmal eine Ausbildung zu machen und die Praxis kennenzulernen. Wer will, kann danach immer noch studieren oder den Meister machen. Sie selbst hat sich für Letzteres entschieden und ist seit 2019 Maurermeisterin.

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In der Schule zählten Mathe und Physik zu ihren Lieblingsfächern und irgendwann stand das Berufsziel Bauzeichnerin im Raum. Nach dem Wirtschaftsabitur absolvierte sie auf Wunsch der Mutter aber erst einmal eine Bürolehre („dann hast Du schon mal eine Basis“). Die Lehrzeit im elterlichen Handwerksunternehmen machte ihr jedoch klar, dass sie „auf den Bau“, in die Praxis, gehörte. Mit Zustimmung der Familie begann sie eine Maurerlehre – eine Exotin in einer reinen Männergesellschaft, die sich durchbeißen musste. „Ich war damals ultra- schüchtern“, erzählt die heute sehr selbstbewusst auftretende Meisterin. „Je mehr ich spürte, wie viel Freude mir dieses Handwerk machte, desto sicherer wurde ich.“ Inzwischen hat sie auch längst ihren Meister gemacht. „Ich möchte damit anderen gern ein Vorbild sein, etwas Ungewöhnliches anzugehen. Für mich wäre es auch leichter gewesen, wenn ich in der Ausbildung eine Frau als Orientierungshilfe gehabt hätte“, meint sie. 

 

Joachim Wohlfeil

ist seit 1999 Präseident der Handwerkskammer Karlsruhe und wird Ende 2024 den Stab weiterreichen an die nächste Generation. Die 86. Vollversammlung hatte ihn im Herbst 2019 für weitere fünf Jahre an die Spitze der Handwerkskammer Karlsruhe gewählt. Diese vertritt in vier Land- und drei Stadtkreisen die Interessen von mehr als 20.500 Betrieben mit circa 100.000 Beschäftigten und rund 5.700 Lehrlingen.

 

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Wohlfeil ist gelernter Gas- und Wasserinstallateur, der nach der Meisterprüfung im elterlichen Betrieb arbeitete und 1986 das Unternehmen Ernst Wohlfeil Blechnerei und Installation GmbH übernahm. Heute werden in der Firma 52 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Lehrlingsrolle der Handwerkskammer Karlsruhe weist über 170 Ausbildungsverhältnisse in dem Unternehmen nach.

Das ehrenamtliche Engagement von Wohlfeil im Handwerk reicht weit in die Vergangenheit zurück. Im Jahr 1988 wird er Obermeister der Innung für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik Karlsruhe-Bruchsal, von 1994 bis 1999 steht er an der Spitze der Kreishandwerkerschaft Region Karlsruhe. Im Jahr 1989 wird er in den Vorstand der Handwerkskammer Karlsruhe gewählt, zehn Jahre später an die Spitze der Kammer.

Wohlfeils besonderes Augenmerk gilt von Anfang an der Ausbildung im Handwerk und der Weiterbildung der Beschäftigten. Dabei ist es dem Kammerpräsidenten ein besonderes Anliegen, den Mitgliedsbetrieben, den Beschäftigten und Auszubildenden mit der Bildungsakademie der Handwerkskammer Karlsruhe eine Plattform anzubieten, die eine moderne Ausbildung garantiert und in der Erwachsenenfortbildung ein hohes Qualitätsniveau sichert. Jedes Jahr besuchen die Akademie über 5.000 Lehrlinge aus dem gesamten Kammerbezirk im Rahmen der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung. Daneben werden über die Werkstattcamps das ganze Jahr über Berufsorientierungsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler angeboten.

Das dritte Standbein ist die betriebswirtschaftliche und technische Weiterbildung mit zahlreichen Kursangeboten. Die Zertifizierungen der Bildungsakademie der Handwerkskammer Karlsruhe sowie die kontinuierlichen Investitionen in die Modernisierung der Werkstätten und Gebäude spiegeln den Erfolg seines Engagements.

Wichtig ist dem Kammerpräsidenten die Außendarstellung des Handwerks. Bei der bundesweiten Imagekampagne des Handwerks bringt er sich seit vielen Jahren verantwortlich mit ein. Wohlfeil wurde für sein ehrenamtliches Engagement unter anderem mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, der Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg und der Staufermedaille des Landes ausgezeichnet.