Die Balance im Leben zwischen Depression und Euphorie zu finden, Scheitern und Erfolg mit Würde zu tragen und zu erkennen, wer man ist, was den Sinn des Lebens ausmacht und welche Position man zu den Umständen und zur Gemeinschaft einnehmen will, ist die eigentliche Aufgabenstellung für den Einzelmenschen. Diese Aufgabe teilt der Künstler mit uns. In einem großen Teil des Werkes, vor allem in seinen Kleinskulpturen, bietet Vitali Safronov für dieses Streben der Menschen im Fluss der Zeit hilfreiche Stellungnahmen an. Er schildert den fortwährenden Versuch, als Frau oder Mann, als Paar oder Gruppe, seine Position einzunehmen mit Könnerschaft und einem liebevoll ironischen Blick auf das Leben.
Einer der Lehrer von Vitali Safronov an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart zwischen 1996 und 2002 war Professor Karl-Henning Seemann. Seemann sieht den wesentlichen Auftrag der Kunst darin, dem Individuum eine gesellschaftliche Position einzuräumen, die seine Würde schützt und seine Rechte gewährleistet. Als realistischer Bildhauer hat er aussagestarke Figuren neu erfunden, niemals abgebildet. In eindringlicher Reduktion hat er das Wirkliche des Lebens zu künstlerischen Aussagen geführt und damit Wahrheiten zu sagen gewusst, die es erhellen und deuten. Darin folgt ihm sein Schüler mit eigener Ausdruckskraft.
Safronov wurde 1966 in Omsk geboren. Mit 16 Jahren hatte er bereits Kunstpädagogik studiert, um anschließend an der Technischen Universität seines Geburtsortes ein Design-Studium mit Diplom abzuschließen.
Er arbeitet in verschiedenen umfassenden Zyklen in denen er Mensch und Pflanzen verbindet, eine Serie, die er Naturwesen nennt. Daneben entstehen "Mischwesen" - aus Frau und Fisch zum Beispiel. Wie gekonnt er die Möglichkeiten formaler Komposition nutzt, um unterschiedlichste Wesen miteinander zu verbinden, sieht man an der farbig gefassten Bronze "Hai" von 2017. Die Form schafft die Angleichung zwischen einem Hai und einer Schreitenden. Das ineinander Wachsen, die Verwandlung geschieht über die Falten, die als Schüsselfalten das Rund des Körpers der Schreitenden umgreifen und sich zum Fischkörper mit den Haiflossen ins Kantige und Eckige wandeln. Wie unter Hypnose steuert dieses Wesen mit erhobenem Kopf und leicht nach hinten genommenen Armen einem nicht erkennbaren Ziel zu. Sie ist keine Handelnde mit wilder Gestik.
In der Schöpfung ist alles mit allem verwandt, besitzt eine gemeinsame Quelle mit unterschiedlichen Rinnsalen, Manches ging daraus hervor, reicherte sich an, veränderte sich. Die Metamorphose ist ein Anliegen des Bildhauers. Eine Gruppe nennt er "Entstehung der Arten". Aus Muscheln oder Seesternen wachsen Menschenhände und anderes. Es gibt Vogelmenschen, Engel, Afrikanerinnen. Er reiht die Serien von unterschiedlichen Standpunkten und Einsichten zueinander, schafft dadurch beeindruckende Sichtweisen auf das Lebendige in seiner Gesamtheit.
Seit einigen Jahren legt er seine Kleinfiguren farbig an. Farben sind Teil unseres Unterscheidungsvermögens. Nachts, wenn wir keine Farben erkennen können, scheint alles grau. Neben der Form können die Tonwerte den Zusammenhalt divergierender oder zueinander passender Teile unterstreichen. Die Bronze "Meine Farbe-Deine Farbe" soll als Beispiel angeführt werden. Auf der linken Hand, dem Kopf und dem gestrecktem rechten Arm einer Nackten in hohen Absatzschuhen sitzen vier Chamäleons mit langen, eingerollten Schwänzen. Das Chamäleon ist in der Lage, sich zur Tarnung der Umgebung farblich anzugleichen. Die Frage muss offen bleiben, ob sich die Chamäleons der Frau oder die Frau den Chamäleons angeglichen haben. Die Farbe vereinheitlicht die unterschiedlichen Existenzen zu einer Einheit, so als hätte die schöne, selbstbewusste Nackte sich heute und speziell für den Betrachter mit Chamaleons angezogen, völlig natürlich.
Auch in seinen Menschenbildern gibt es Mutationen und farbiges Zusammenwachsen. In der Skulptur "Krabbe" trägt ein Mann in blauen Jeans seine Frau als süße Last liebevoll Huckepack an ihren Beinen über die Beschwernisse des Lebens. Sie hat auffallende rot-weiße Ringelstrümpfe an. Die Farbe betont das heiter Gelöste der Situation bis man auf den zweiten Blick erkennt, dass sie statt der Unterarme große Krabbenzangen um seinen Oberkörper schlingt. Dadurch kommt es zu einem Deutungsumschwung, aus Tändelei wird Bedrohung. Die Farbe arbeitet an diesem Überraschungseffekt mit. Farbig Anlage von Skulpturen gibt es seit Jahrtausenden. Sie macht Sinn, weckt die Sinne und lenkt mit der Form die Bedeutung in das Gewünschte
Sein Menschenbild ist getragen von Empathie und liebevoller Annahme. Das abstrakte Sehen und Erkennen, die formale Konsequenz wandelt seine filigranen und aktiven Figuren zu ausgewogenen und fundamentalen Zeichen menschlicher Existenz im Drama des Lebens auf dem Weg jedes Einzelnen zur Sinnsuche.
In der Skulpturenallee des Europa-Park ist die Bronzeskulptur "Aufstieg" von Vitali Safronov zu sehen. Ein junger Mann zeigt seinen "Aufstieg" in einer Balance auf drei ineinander und aufeinander gestapelten Stühlen. Basis ist ein Thonet Stuhl mit seinen fein gebogenen Hölzern, auf dem, mit der Rückenlehne nach unten, ein schlichter Küchenstuhl als Zwischenträger für einen bunten Bauhausstuhl fungiert. Der Bauhausstuhl ist rot orange und blau bemalt. Auf dessen Rückenlehne wagt der Mann mit nur einem Arm seinen Handstand mit gestreckten Beinen, eine tollkühne Vorführung, gefährlich schön, weil die Schwerkraft überwunden scheint.
Wer aufsteigen will, darf sich bei keinem der notwendigen Schritte aus der Balance bringen lassen; sich aber oben zu halten, erfordert bisweilen eine geradezu artistische Äquilibristik.
Vitali Safronov - Aufstieg, Bronze, farbig
Biographie
1996–2002
Studium der Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stutt gart bei den Professoren Karl-Henning Seemann und Giuseppe Spagnulo
seit 2003
tätig als freischaffender Künstler
1996–2002
Studium der Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stutt- gart bei den Professoren Karl-Henning Seemann und Giuseppe Spagnulo
2005–2006
Dozent für Zeichnen an der Volkshochschule Ludwigsburg Dozent für Plastikgestaltung an der KS-Kunstschule, Stuttgart Dozent für Plastikgestaltung der Schwanthaler Schule, München Dozent an der Freien Kunstakademie am Bodensee, Kunstzeit-Allensbach
Seit 2012
Dozent an der Kunstschule Labyrinth, Ludwigsburg
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