Gespräch mit Peter Gaymann, einem der bekanntesten Cartoonisten in Deutschland über das Talent des Zeichnens, über seine Heimat Baden und sein Vorbild Tomi Ungerer / Ausstellung im Winter 2023 im Europa-Park
Peter Gaymann (72) zählt zu den beliebtesten und bekanntesten deutschen Cartoonisten. Im Winter 2023 widmet ihm der Europa-Park eine Ausstellung. Er ist ein Freiburger Urgestein und trifft seit Jahrzehnten mit seinem herzlichen Humor und Witz den Nerv vieler Menschen. Peter Gaymann ist ein sehr scharfsinniger Beobachter, der manche Eigenheit und Schwäche seiner Mitmenschen auf liebenswerte Weise skizziert. Veröffentlichungen im Zeit-Magazin, in der Bunten oder der Badischen Zeitung eröffnen seinen Cartoons ein großes Publikum. Seit 1990 erschienen über 30 Jahre „Die Paar Probleme“ in der Brigitte. Gaymanns berufliches Vorbild ist unter anderem Tomi Ungerer, der auch zeitlebens ein enger Freund des Europa-Park war.
Sie sind gebürtiger Freiburger, was lieben Sie an dieser sonnenverwöhnten Region?
Peter Gaymann: Wenn ich von Karlsruhe auf der A5 Richtung Freiburg fahre, schaue ich nach rechts in die Vogesen und sage: This is Ungerer land. Wenn ich nach links schaue, sehe ich den Schwarzwald und sage: This is my land. Was liebe ich besonders an meiner Heimat? Natürlich die vielen Sonnentage. Und die sonnenverwöhnten Rebhänge des Kaiserstuhls und des Markgräflerlands. Und wo es Wein gibt, gibt es auch gutes Essen. Ich bin nicht unbedingt der große Gourmet, aber ich weiß was mir schmeckt. Wurstsalat und Brägele essen gehört zu jedem Heimatbesuch. Und an Weihnachten eine gute Linzertorte.
Das knausrige der Badener („Koscht des was??“) lässt mich manchmal mit dem Kopf schütteln. Aber, dass die Badener Humor haben, kann ich bestätigen. Wie sonst wäre zu erklären, dass jede Veranstaltung in Freiburg für mich zum Heimspiel wird?
Habe ich was vergessen? Wenn im Winter auf dem Schauinsland die Wetterbuchen unter ihrer Schneelast knarzen und der Blick weit über die Rheinebene bis zu den Vogesen schweift, weiß ich: Do bin i daheim!
Welches Talent braucht ein guter Cartoonist?
Gaymann: Im Grunde braucht der Cartoon-Zeichner mehrere Talente. Natürlich sollte er einigermaßen zeichnen können. Aber er sollte mit seinem Stift auch Geschichten erzählen können und zwar in knappster Form. Und ohne Humor geht natürlich nix. Denn ein Cartoon sollte unterhaltsam sein, zum Lachen oder zum Schmunzeln verführen. Da nicht jeder Mensch den gleichen Humor hat, sollte der Cartoonist auch das Talent haben, mit Ablehnung umzugehen. Wenn ein Chefredakteur, deine Frau oder ein Besucher deiner Ausstellung mal nicht lacht, heißt das noch lange nicht, dass du kein Talent hast.
Wie viel beim Zeichnen ist Talent, wie viel kann man lernen?
Gaymann: Unter den Kollegen kursiert der Spruch: Zum Zeichnen brauchst du etwas Talent und einen breiten Hintern. Will sagen: Viel Sitzfleisch. Wie schon Leonardo da Vinci zu seinen Schülern sagte: üben, üben, üben. Übung macht nicht immer den Meister, aber es hilft, weiterzukommen. Wer meint, er kann schon alles, ist entweder Leonardo da Vinci oder er irrt. Auch nach fast 50 Jahren zeichnen (circa 20 000 Blätter) bemühe ich mich jeden Tag,meinen Strich und meine Kolorierung zu verbessern. Ein gewisser Ehrgeiz, perfekt zu werden, ist nicht schlecht, aber man sollte den Ehrgeiz nicht über die Maßen strapazieren. Manchmal ist auch gut, wenn der Tag des Abgabetermins einfach kommt. Dann muss das Blatt aus dem Haus. Das nächste wird dann „besser“.
Was haben ein Pantomime und ein Cartoonist gemeinsam?
Gaymann: Der Pantomime muss sich in Menschen, Bewegungen und Räume hineinfühlen und sie ohne weitere Hilfsmittel darstellen. Er muss ein sehr genauer Beobachter sein, der Teufel steckt im Detail. Der Cartoonist, der vor seinem leeren Blatt Papier sitzt, ist ebenfalls auf seine genauen Beobachtungen angewiesen. Er schöpft aus dem was er gesehen, gehört, gelesen hat. Er muss wie ein Regisseur Räume entwickeln, Figuren und ihre Bewegungen zeichnerisch umsetzen können, obwohl er keine Models zur Verfügung hat. Je besser er das kann, desto besser (verständlicher) kann er seine „Geschichte“ erzählen.
Wie gelingt es, Menschen ihre Schwachpunkte aufzuzeigen, ohne sie zu verletzen?
Gaymann: Zwei wichtige Punkte: Nicht belehrend auftreten und nicht aggressiv werden. Niemand will, dass man mit dem Finger auf ihn zeigt oder, dass er angeschrien wird. Als Folge davon zieht er sich eher zurück. Nur weil ich Cartoons oder Karikaturen zeichne, bin ich ja nicht fehlerfrei, also ein besserer Mensch. Wenn der Betrachter meiner Bilder spürt, dass ich zwar seine Schwachpunkte aufzeige, aber ihm durch den humoristischen Ansatz auch zu verstehen gebe, dass ich ihn deswegen nicht bloßstelle oder verurteilen möchte, wird er wahrscheinlich viel eher über sich nachdenken.
Gemeinsam lachen schafft mehr Akzeptanz als vom Gegenüber ausgelacht zu werden. Jean Jacque Sempé, einer meiner großen Vorbilder hat mal gesagt, dass er seine gezeichneten Figuren auch immer lieben muss. Wenn er sie hasst, kann er nicht zeichnen. Das kann ich voll und ganz unterschreiben.
Sind die meisten Zeichnungen grenzüberschreitend, oder haben die Menschen in anderen europäischen Ländern einen komplett anderen Humor?
Gaymann: Manchmal hat schon der eigene Lebenspartner oder die Kinder einen anderen Humor. Auch von Region zu Region gibt es unterschiedlichen Humor. Und es ist auch sinnlos, darüber zu streiten. Manchmal lachen wir auch in unserem Land über Dinge über die man im Ausland überhaupt nicht lacht oder umgekehrt. Es kommt vor, dass man dem anderen auch gar keinen Humor zutraut. In England glauben bis heute viele Menschen, dass die Deutschen keinen Humor haben. Trotz allem gibt es aber immer Schnittmengen. Franzosen können über kulinarische Cartoons von mir lachen oder ein türkisches Paar über meine „Paar Probleme“ (BRIGITTE). Die Yoga-Hühner werden auch in der Schweiz gekauft. Die Weincartoons in Italien ausgestellt. (Alles erlebt!)
Sie hatten einen guten Draht zum verstorbenen Zeichner Tomi Ungerer aus Straßburg, was haben Sie an ihm geschätzt?
Gaymann: Tomi hat sicher maßgeblich dazu beigetragen, dass ich diesen Weg gewählt habe. Schon als Student war ich angetan von seinen Ideen und seinem Zeichenstil. Wenn man meine ersten Cartoonserien anschaut, sieht man sofort, wer als Vorbild gedient hat. Nach und nach habe ich dann meinen eigenen Stil entwickelt. Es gab auch noch andere Vorbilder: F.K. Waechter, Sempé, Janosch… Aber Tomi habe ich dann auch immer wieder persönlich getroffen und habe ihn als sehr freundlichen Kollegen schätzen gelernt. Er nannte mich häufig „de Giggele-Moler“, wegen der Hühner. Letztlich geschah dann auch das siebte Weltwunder: eine gemeinsame Ausstellung in einer Freiburger Galerie. Janosch und Sempé waren auch mit an Bord. Das war für mich natürlich das Highlight des Jahrhunderts.
Ich war auch mit vielen anderen Zeichnern und Zeichnerinnen zu seinem 85. Geburtstag eingeladen. Wir stellten zusammen mit ihm in seinem eigenen Museum aus. Bei dieser Gelegenheit sangen wir zum letzten Mal gemeinsam sein Lieblingslied „Die Gedanken sind frei“. Jetzt schaut er mir von oben zu und inspiriert mich noch immer
Tomi Ungerer hat mitunter beklagt, dass Zeichnungen und Cartoons nicht immer in vollem Umfang als Kunst wertgeschätzt werden. Erleben Sie das auch?
Gaymann: Jein! Wenn ich einige Jahre oder gar Jahrzehnte zurückdenke, dann gab es da noch eine klare Trennungslinie zwischen der „Kunst“ und der humoristischen/satirischen Zeichnung. Als ich zum Beispiel in den 80ern zum ersten Mal in einer Kunstgalerie ausstellen durfte, wurde der Galerist von einem seiner Kunden gefragt, ob er denn jetzt plötzlich „so einen Scheiß“ ausstellen müsse. Es war auch keine Seltenheit, dass Originale von Zeitungsredakteuren schlecht verpackt und geknickt oder beschriftet zu mir zurückkamen. Mittlerweile hat sich aber schon vieles gebessert. Galerien und vor allen Dingen auch Museen zeigen jetzt häufiger die Arbeiten namhafter Zeichner. Und es gibt Sammler, die bereit sind, angemessene Preise zu bezahlen.
Sicher haben Leute wie Tomi Ungerer (der ja inzwischen längst ein eigenes Museum hat) zu dieser Entwicklung beigetragen. Ich selbst durfte in den letzten Jahren mehrfach meine Arbeiten in Museen zeigen. Und die Besucherzahlen bei diesen Ausstellungen zeigen, dass es eine große Wertschätzung gibt. Also: Von meiner Seite keine Klagen. Es hat sich gebessert, aber es gibt noch viel Luft nach oben.
Sie kennen den Europa-Park seit Jahrzehnten, was gefällt Ihnen hier besonders? Fahren Sie gerne Achterbahnen?
Gaymann: Der Park ist gigantisch. Es gibt da für jeden Besucher, egal wie alt, so viele individuelle Möglichkeiten, sich zu vergnügen, zu feiern, Spaß zu haben oder einfach nur zu flanieren. Und wer nicht blind ist, wird sehen, dass einfach alles mit Liebe zum Detail gearbeitet ist. Jeder Türgriff, jeder Pflanzenkübel, jedes Hotel, jedes Fahrgeschäft, jeder Mülleimer ist ein kleines oder großes Kunstwerk. Herzblut ist das Stichwort. Ich würde mich als einen ziemlich genauen Beobachter beschreiben. Und ich bin jedes Mal aufs Neue überrascht, was ich zu sehen kriege. Zum Thema Achterbahnen: Mir wird mit meinen 72 Jahren schon schwindelig, wenn ich zuschaue. Mich hinsetzen und die Achterbahn abzeichnen, das ist mein Genuss.
Welche verrückten Ideen von Ihnen warten noch auf Umsetzung durch Peter Gaymann?
Gaymann: Mein Alter habe ich gerade geoutet. Eine verrückte Idee, die ich gerade zusammen mit einem Freund entwickelt habe, ist die Gründung eines „Rock´n Roll Rollator Clubs“! Es gibt schon Clubausweise, eine Internetseite und ab Januar auch das Buch „Geht doch!“. Es soll mit Spaß und Witz gebrechlichen Menschen den Einstieg ins Rollator-Leben erleichtern.
Ein anderes Projekt geht in die entgegengesetzte Richtung. In Freiburg entsteht eine neue Kita, und ich habe den Auftrag sie mit meinen Zeichnungen auszugestalten. Da muss ich mich in Kinderherzen hineindenken.
Last but not least: Eine Ausstellung im Europa-Park ist schon lange ein heimlicher Wunsch. Wenn das jetzt Wirklichkeit wird, wäre es fast schon ein Grund, doch nochmal Achterbahn zu fahren.
Freue mich schon drauf!
Interview — Horst Koppelstätter
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