Vom guten Leben

Die kulturhistorische Bedeutung des Europa-Park und der Vergleich mit der weltweit berühmten Bäderstadt Baden-Baden / Gespräch mit Professor Stefan Lindl

Wir treffen Professor Stefan Lindl zum Interview für emotional pur und alles beginnt mit einem überraschenden Bekenntnis: „Niemals wäre ich auf den Gedanken gekommen, einen Vergnügungspark zu besuchen. Diese Parks galten mir als inhaltsarm, vielleicht auch als oberflächlich, als laut und überfüllt. Heute, viele, viele Aufenthalte im Europa-Park später, frage ich mich, warum ich mich eigentlich jahrelang gegen Vergnügen und Lust so gesträubt habe?“

Schon der erste Besuch machte ihn sprachlos. „All meine Vorurteile verschwanden nach einigen Metern in der Deutschen Allee des Europa-Park. Ihren Platz nahm Verwunderung, das Gefühl der Irritation, dann Bewunderung ein. Überall, wohin auch immer meine Blicke schweiften: Detailversessenheit, liebevoller Umgang mit den Themenbereichen, atemberaubende Architekturen, die von einem intellektuellen Spiel mit den jeweiligen Vorbildern zeugten. Einer durchgängigen tiefen Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen der Authentizität stand ich gegenüber, von historischer Echtheit bis nachgeahmter Historie, überlegt von den Architekten ausgeführt.

Nichts war so, wie ich mir einen Vergnügungspark vorgestellt hatte. Mein erster Besuch des Parks ließ mich ein Bad der Gefühle nehmen. Von Verwunderung über Beschämung, Vergnügen und Freude gelangte ich sogar zum Gefühl des Glücks und der glücklichen Bewegtheit. Beschämt war ich über meine Vorurteile. Beglückt war ich darüber, wie schnell Vorurteile verschwinden. Warum ich bei all meiner Ablehnung letztlich doch noch in einen Vergnügungspark und dann noch ganz speziell in den Europa-Park ging? Nicht, weil ich es gewollt hätte, sondern weil meine Familie einen Tag ohne mich dort verbrachte und danach schwärmte.“

Sie sind Professor für Europäische Regionalgeschichte an der Universität Augsburg, was haben Sie im Europa-Park beim Blick hinter die Kulissen Besonderes entdeckt?
Stefan Lindl: Mein Blick richtet sich auf die historische Entwicklung, die architektonische Themengestaltung des Europa-Park und auf die unzähligen Details, die darin enthalten sind. Der Park wuchs in den letzten fünf Jahrzehnten zu einem eigenen Universum an. Er ist für mich Freilichtmuseum, Naturkundemuseum, eine spielerische Bildungsanstalt. Die Themenbereiche sind zu einem hohen Prozentsatz eigenständige Architekturen, die eben keine Kopien von Bauwerken aus Italien, Frankreich oder Spanien sind. Sie spielen die Länder an, sind eine Essenz Europas. Sie sind gerade durch ihre Weigerung, Vorbilder zu kopieren, in einer besonderen Weise gelungen.

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Professor Stefan Lindl

Wie ordnen Sie einen Freizeitpark wie den Europa-Park kulturhistorisch ein?
Lindl: Parks und Gärten habe eine Jahrtausende alte Tradition und sind regelrecht biblisch, denken Sie nur an das Paradies: Ein umzäunter Ort, der keine Schmerzen und Sorgen kennt. Ein Ort des Verzückens. Parks und auch die Gärten verfügen über philosophische, theologische Dimensionen. Sie sind Andersorte, abgeschlossen und exklusiv. Sie sind für das Vergnügen errichtet, fern des tosenden Alltags. Der Park sowie der Garten gelten dem Vergnügen und der Freizeit. In dieser Tradition steht auch der Europa-Park, der zum Teil in einem Jahrhunderte alten Schlosspark errichtet wurde. In Parks lässt sich Wohlbefinden suchen: das gute Leben. Parks sind kulturhistorische Orte, die Schmerzen und Sorgen entbehren sollen.

Sie ziehen Vergleiche zu renommierten Kurstädten wie Baden-Baden. Können Sie das erklären?
Lindl: Die großen Kurstädte, allen voran Baden-Baden, hatten im 19. Jahrhundert eine ähnliche Funktion wie der Europa-Park: Es waren Orte des guten Lebens. Aber sie waren noch mehr, denn sie sollten heilen. Wer mit Schmerzen und Sorgen dorthin kam, sollte genesen, um frei von Schmerzen und Sorgen zu werden.

Welche Rolle spielt die Architektur für den Erfolg des Freizeitparks in Rust?
Lindl: Stünden in dem Park nur all diese spektakulären Fahrgeschäfte, wäre dieser Park sicherlich auch ein Publikumsmagnet. Aber dann hätte der Park lediglich eine technische Aura. Doch es ist die gekonnte Mariage der Fahrgeschäfte mit der Architektur, die im Europa-Park mannigfaltige Atmosphären des Wohlbefindens erzeugt. Die Imaginationen, die von den Architekturen hervorgerufen werden, sind gekonnt getriggert. Die Architektur spielt eine enorme Rolle, auch wenn sie von vielen Besuchern nicht bewusst wahrgenommen wird.

Und wie sehen Sie die Natur des alten Schlossgartens mit dem alten Baumbestand und der Elz, die durch den Park fliest?

Lindl: Bei meinem ersten Besuch im Park irritierte mich der alte Baumbestand. Damals hatte ich mich mit der Geschichte des Parks nicht beschäftigt. Aber das Alter, das nicht zum Alter der Bäume, das nicht zum Gründungsjahr des Europa-Park passte, ließ mich sofort ahnen, dass all
meine Vorurteile über Freizeitparks in Rust ein Ende finden werden. Die Elz sowie die Blinde Elz strukturieren einen Teil des Parks. Sie weisen beide auf eine historische Kulturlandschaft hin, die pittoreske Momente liefert. Ganz zu schweigen von der Wasserkraft der Elz, die dem Park Energie spendet. Dass auch das Wasserkraftwerk als eine Attraktion einbezogen wurde, steht für mich symbolisch für den Park: Alles ist Europa-Park, was in irgendeiner Verbindung zum Europa Park steht.

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Das Bildungsbürgertum rümpfte lange die Nase beim Stichwort Freizeitpark. Was entgegnen Sie?
Lindl: Wer diesen Park nicht gesehen hat, dem fehlt etwas auf der Liste der Sehenswürdigkeiten. Er bietet viel mehr als Fahrgeschäfte und das pure Vergnügen.

Ist der Europa-Park ein Kulturdenkmal?
Lindl: Auf alle Fälle ist er ein keineswegs unbedeutendes Kulturerbe. Viele Gebäude, ob jene der Themenbereiche oder der Hotels, werden einen Denkmalwert erlangen, wenn sie ihn nicht bereits haben, dessen bin ich mir sicher. Je länger Park und Resort in der Zeit sein werden, desto wertvoller werden sie.

Geben Sie uns einen Tipp, was Sie im Europa-Park besonders überrascht hat?
Lindl: Es gibt zwei Lieblingsorte, die das authentische Wesen des Parks nicht besser erfassen könnten: die Schlosskapelle mit der Grablege der Böcklin von Böcklinsau und der „Quai Tomi Ungerer" an der Blinden Elz

 

 

Der Park – Vom guten Leben erschienen im TriMax Media Verlag 49,90 €, Hardcover, 240 Seiten
ISBN: 978-3-910973-22-0
erhältlich in den Shops des Europa-Park und
online unter shop.europapark.de

 

 

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