Im Rollstuhl auf die Achterbahn

Der Europa-Park ist auch für Menschen mit Behinderung ein großes Vergnügen – Ideen und Investitionen machen es möglich

Tim Eigenbrodt ist erstmal sprachlos, doch er macht den Daumen hoch: „Bin begeistert!“ Mit dem Rollstuhl in den Europa Park – geht das? Diese Frage untersucht er zusammen mit Michael Töller, der für sein Online-Magazin „Freizeitpark Erlebnis“ Filme und Beiträge mit Betroffenen über Barrierefreiheit produziert und immer mehr Unternehmen im Freizeitsektor zu dem Thema berät. Rollifahrer Eigenbrodt fungiert als Darsteller und Testperson.


Wenige Minuten zuvor ist er ganz nah an die Achterbahn „Blue Fire Megacoaster“ herangerollt. Über einen speziellen Eingang war er direkt in den Bahnhof des Coasters gelangt, wo er nach kurzer Einweisung selbstständig einsteigen kann. Die Operatoren der Bahn stehen zudem jederzeit zur Unterstützung bereit. Vor dem anstehenden Erlebnis hat er Respekt: „Der Blue Fire beschleunigt in nur 2,5 Sekunden von null auf 100 und dann gibt es auch noch Loopings und Schrauben. Das ist nicht ohne.“ Während der Fahrt hält die Kamera seine Reaktionen fest. Wie viele andere lässt er seiner Freude freien Lauf: „Aah, uuh, jaaaa!“, schreit es aus ihm heraus. Alles drin, meldet er hinterher – „das war spitze!“

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Der Mitte-Dreißigjährige aus dem nordrhein-westfälischen Langenfeld ist mit einer bleibenden Störung des Haltungs- und Bewegungsapparates zur Welt gekommen. „Deshalb sitze ich im Rollstuhl“, sagt er. Es sei ihm aber wichtig, dennoch ein möglichst unabhängiges Leben zu führen. Er fährt Auto, spielt Basketball, lebt selbstständig und betreibt einen Laden für behindertengerechte Einrichtungen. Mitterweile ist er zudem bei „Freizeitpark Erlebnis“ als Berater im Bereich Barrierefreiheit angestellt. Nach „Blue Fire“ hatte er im Europa-Park noch lange nicht genug: „In drei Stunden bin ich noch fünf andere Achterbahnen gefahren“, fasst er seinen erlebnisreichen Tag zusammen, und fügt hinzu: „Die Mitarbeiter im Europa-Park sind alle wirklich nett und zuvorkommend, auch wenn einer nicht so schnell kann, nehmen sie sich die Zeit.“

Vorzeigeunternehmen für die gesamte Branche
Das Fazit des Rollstuhlfahrers bestätigt: Mit sehr vielen Maßnahmen sorgt der Europa-Park dafür, dass auch Menschen mit schweren gesundheitlichen Einschränkungen eine unbeschwerte Zeit in der Ruster Erlebniswelt verbringen können. „Unser Park war an und für sich schon immer barrierefrei, was einen Großteil der Wege anbelangt”, erklärt Thorsten Marohn, Parkleiter und Beauftragter für Barrierefreiheit. Los geht die Teilhabe beziehungsweise Inklusion von Menschen mit Behinderung bereits am Eingang. Sie erhalten vergünstigte Tickets. Seit einigen Jahren wird überdies intensiv an der Barrierefreiheit der Attraktionen gearbeitet. Etliche Fahrgeschäfte sind aufwendig nach- oder umgerüstet worden, um etwa die Erreichbarkeit mit einem Rollstuhl zu gewährleisten. 

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So können Gäste mit einer niedrigen Querschnittslähmung, die zu einem teilweise oder vollständigen Bewegungsverlust der Beine geführt hat, jetzt die Achterbahn „Silver Star“ fahren – mit 73 Metern Höhe eine der höchsten Stahlachterbahnen Europas. Die Mitfahrt auf dem „Eurosat – CanCan Coaster“ ist auch mit einer Beinprothese möglich.

„Sagenhafte Neuheit“
Zudem ist beim „Blue Fire Megacoaster“ ein neuer Lift installiert worden. Gemeinsam mit dem Hersteller Handi-Move und Mack Rides hat ein Team um Parkleiter Thorsten Marohn eine Weltneuheit entwickelt. Diese wurde bereits von Töller und Eigenbrodt ausgiebig getestet und als Innovation betitelt. „Menschen im Rollstuhl, denen es nicht möglich ist aufzustehen, können nun erstmalig mit dem Lift direkt in die Achterbahn gehoben werden“, berichtet Töller begeistert. „Das ist sagenhaft.“

Einschränkungen ergeben sich allerdings weiterhin durch Vorgaben der Hersteller. Beispielsweise sind Personen, die aufgrund ihres Körperbaus oder durch Behinderungen, Prothesen oder Amputationen mit den vorhandenen Rückhaltesystemen nicht sicher festgehalten werden können, von der Fahrt ausgeschlossen. „Die jeweiligen Mindestvoraussetzungen und Freigaben pro Attraktion können im Leitfaden, welcher unter anderem vor Ort an den Besucher-Informationen verfügbar ist, nachgelesen werden“, erläutert Marohn.

Laut Park-Chef Roland Mack ist der Europa-Park auch beim Thema Inklusion ein Vorzeigeunternehmen für die gesamte Branche – „selbst, wenn die Maßnahmen sehr viel Geld und Aufwand in Anspruch nehmen.“ Gäste mit Hör- oder Sehbehinderung oder mit geistiger Behinderung können bereits alle Attraktionen nutzen. Auch bei Gästen mit Amputationen oder im Rollstuhl liegt die Quote der Nutzungsmöglichkeiten bei fast 100 Prozent. „Wir haben das Thema schon lange auf dem Schirm“, so Roland Mack weiter. „Aber inzwischen können wir mit Fug und Recht sagen, wir sind zu einem behindertengerechten Park geworden.“


Rollstuhlgerechter Transport durch den Park
Die Strategie, Menschen mit Behinderung einen unbeschwerten Besuch zu ermöglichen, zeigt sich noch an vielen anderen Beispielen. Alle Restaurants sind barrierefrei zugänglich, bei jeder Show gibt es extra ausgewiesene Plätze für Gäste im Rollstuhl. In ausgewählten Shows dürfen Blinden- und Assistenzhunde mitgenommen werden. Am Haupteingang befindet sich ein Rollstuhlverleih. Innerhalb des Geländes gelangen Rollstuhlfahrer bequem und schnell mit dem „EP-Express“ von einem Themenbereich zum anderen: Jeder Zug hat ein eigenes Rollstuhl-Abteil, alle Stationen verfügen über einen rollstuhlgerechten Zugang per Aufzug oder Rampe.

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Zudem befinden sich bereits rund 20 rollstuhlgerechte Toiletten auf dem Gelände. Außerdem ist ein besonderer Pflegeraum eröffnet worden. Die „Toilette für alle“ ist mit einer höhenverstellbaren Liege sowie einem Personen-Lifter ausgestattet. Menschen mit schweren oder mehrfachen Behinderungen können so mit Unterstützung einer Begleitperson Inkontinenzmaterialien wechseln.

Laufband wird eigens angehalten
Michael Töller und Tim Eigenbrodt beraten den Europa-Park auch darin, noch mehr Barrierefreiheit zu erreichen und das nicht nur für Rollstuhlfahrer. Unter anderem zur Eröffnung des inzwischen zur besten neuen Achterbahn der Welt gekürten Coasters „Voltron Nevera powered by Rimac“ waren sie erneut in Deutschlands größtem Freizeitpark unterwegs. „Mit dem Aufzug am Ausgang gelangte ich direkt in die erste Etage zum Einstieg“, berichtet Eigenbrodt. Das Laufband, über das die Passagiere sonst in die Achterbahn einsteigen, wird für Menschen wie ihn eigens angehalten. Eigenbrodt erhielt zudem ein Wadenband umgezogen. „Das hilft mir immer sehr“, erläutert er. „Denn meine Beine kann ich nicht so gut kontrollieren, wenn ich aufgeregt bin.“ In der Bewer- tung der anschließenden Fahrt mit dem neuen Super-Coaster ist er der gleichen Meinung wie die meisten Fahrgäste: „Einfach atemberaubend – so eine Bahn bin ich noch nie gefahren.“