Metallica dröhnt aus den Lautsprechern, Gäste in Lederkluft verfolgen gerührt die Szenerie. Die „Kirche im Europa-Park“ feiert in der norwegischen Stabkirche eine „Rockhochzeit“. Ein Paar schreitet zum Altar, während draußen Achterbahnen rattern, Kinder kreischen und der Duft von Zuckerwatte in der Luft liegt. Dieser Trubel ist eine ungewöhnliche Umgebung für eine kirchliche Zeremonie. Doch genau das macht es für viele so besonders.
„Ein anderes Paar ist eigens aus England in den Europa-Park gekommen, um sich an seinem Lieblingsort auf der ganzen Welt das Ja-Wort zu geben“, berichtet die evangelische Diakonin Andrea Ziegler.
Zusammen mit ihrem katholischen Kollegen Thomas Schneeberger bildet sie das Team für die „Kirche im Europa-Park“. Seit 2005 gibt es dieses gemeinsame Projekt der Evangelischen Landeskirche in Baden, der Erzdiözese Freiburg und des Europa-Park selbst. Dem Vernehmen nach hat kein anderer Freizeitpark rund um den Globus ein solches kirchliches Angebot. Ziegler und Schneeberger sind bereits die zweite Generation an Kirchenvertretern im Park. Vor einigen Jahren haben sie die beiden Gründungsseelsorger Andreas Wilhelm und Martin Lampeitl auf dem ökumenischen Posten zwischen Schiffsschaukel und Wildwasserbahn abgelöst. Pro Jahr feiern sie gemeinsam – evangelisch und katholisch – mehr als 100 Trauungen, Taufen und Ehejubiläen beziehungsweise Segensfeiern. „Die meisten Menschen, die diese Angebote wahrnehmen, sind Europa-Park-Fans“, erklären sie. „Aber es sind natürlich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Europa-Park darunter.“
Thomas Schneeberger und Andrea Ziegler sind die beiden Seelsorger der „Kirche im Europa-Park“.
„Der Park ist für viele eine zweite Heimat“
Die „Kirche im Europa-Park“ ist längst zu einer lebendigen Gemeinschaft geworden, die sich niemandem aufdrängt, aber allen mit offenen Armen begegnet. „Viele Menschen sagen: Der Europa-Park ist für sie wie eine zweite Heimat“, erzählt Schneeberger. „Sobald sie von der Autobahn runterfahren, atmen sie regelrecht auf. Davon können wir als Kirche lernen: Der Europa-Park ist ein Ort, an dem sich Menschen geborgen fühlen – da darf auch Gott seinen Platz haben.“
Schneeberger kommt ursprünglich aus der kirchlichen Krisenintervention. Notlagen, Krankheit, Tod – damit war er jahrelang konfrontiert. Als er gefragt wurde, ob er sich eine Tätigkeit im Freizeitpark vorstellen könne, zögerte er. „Ich habe mich gefragt, ob ich in einem Freizeitpark für Menschen da sein kann“, erzählt er. „Aber zum menschlichen Dasein gehören eben auch Hoffnung, Freude, Spaß – das alles bietet der Europa-Park. Und da mittendrin Kirche, das passt.“ Auch Andrea Ziegler zögerte anfangs, sie kannte Freizeitparks eigentlich gar nicht. Heute lacht sie, wenn sie von ihrer ersten Achterbahnfahrt erzählt: „Ich bin nicht mit Achterbahnen groß geworden und habe lange gebraucht, bis ich mich in die erste reingewagt habe: in den „Wodan – Timburcoaster“. Aber dann war es durchaus, als würde sich eine neue Welt öffnen.“
Mit „Joy“ zu tiefen Gesprächen
Neben der Stabkirche gibt es noch weitere Orte, wo die Besucher zur Ruhe kommen und der „Kirche im Europa-Park“ begegnen können, so etwa die Jakobuskapelle im Hotel „Santa Isabel“ oder auch die Böcklinskapelle im Holländischen Themenbereich. Mit im Gepäck haben Ziegler und Schneeberger inzwischen ihr Maskottchen „Joy“, eine Mischung aus Engel und Hummel, mit goldenen Flügeln und einem breiten Lächeln. „Joy ist unser Türöffner“, sagt Ziegler. „Gerade junge Leute bleiben stehen, fragen und lächeln – und manchmal ergibt sich ein Gespräch, das unter die Oberfläche geht.“ Dann können die Themen von Alltagsfrust über Beziehungskrisen bis hin zu Sinnfragen oder Krankheit reichen. Einmal, so erzählt Schneeberger, kam eine Frau auf ihn zu: „Ich betrete keine Kirche“, sagte sie entschieden. Doch dann nahm sie an einer Taufe im Europa-Park teil – und am Ende meinte sie: „Ich bin Ihnen dankbar, dass ich das erleben durfte.“ Für Schneeberger und Ziegler sind solche Begegnungen besonders wertvoll: „Wenn innere Verkrustungen aufbrechen, ist das sehr bewegend.“
Mehr als 100 Ehrenamtliche
Um die beiden Seelsorger herum ist eine regelrechte Gemeinde entstanden. Der Kreis der Ehrenamtlichen, die sich mehr oder minder regelmäßig engagieren, umfasst mehr als 100 Kontakte zu Menschen im Alter von zehn bis 80 Jahren. Ehrenamtliche reisen mitunter von weither nach Rust, um bei Aktionen mitzuhelfen. „
Ehrenamtliche reisen mitunter von weither nach Rust, um bei Aktionen mitzuhelfen. „Manche kommen aus Köln, bringen Kabel und Kameras mit, um unsere Gottesdienste auf YouTube zu übertragen“, sagt Ziegler. Anreise und Übernachtung zahlen sie selbst. „Sie haben einfach Lust, mit uns Kirche zu machen und dafür sind wir sehr dankbar.“ Auch in den sozialen Medien ist die „Kirche im Europa-Park“ präsent. Der Instagram-Auftritt wird von einer Ehrenamtlichen betreut, die ein so großer Fan des Europa-Park ist, dass sie unter anderem wegen ihm von Bayern in die Ortenau gezogen ist, um näher an Deutschlands größtem Freizeitpark zu sein. „Das zeigt, wie stark der Europa-Park die Menschen bewegt“, so Schneeberger. Und daraus entsteht auch eine moderne Form von Gemeinde – generationenübergreifend, gemeinschaftlich und getragen von echter Freude.
Zu den Angeboten der „Kirche im Europa-Park“ gehören Hochzeiten, Taufen, Ehejubiläen, Segensfeiern und Gottesdienste.
„Starkes Zeichen für menschennahe Kirche“
Mit einem ökumenischen Festgottesdienst zu „50 Jahre Europa-Park“ mit Landesbischöfin Heike Springhart und Erzbischof Stephan Burger wurde auch das 20-jährige Jubiläum der Kirche im Park begangen. Rund 500 Menschen versammelten sich auf der Piazza des Hotels „Colosseo“. Europa-Park-Inhaber Roland Mack betonte in seiner Ansprache: „Die Kirche im Europa-Park ist für mich ein Vorzeigeprojekt Landesbischöfin gelebter Ökumene und ein starkes Zeichen für eine mutige, Heike Springhartmenschennahe Kirche.“ Sie würden gar nicht so viel anders als andere Kirchengemeinden machen, erläutern Schneeberger und Ziegler. „Aber der Europa-Park schafft besondere Möglichkeiten. Es ist für uns eine unglaubliche Chance, mit so vielen Menschen in Begegnung zu kommen – egal woher sie kommen oder welche Sprache sie sprechen.“
Weitere Informationen auf Instagram: Kirche im Europa-Park
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