Wipfelstürmer als Zapfenpflücker

Hoch in den Bäumen beschaffen Zapfenpflücker im Schwarzwald den Nachwuchs für den Wald von morgen / Begegnung mit dem Freiburger Förster und Naturfotografen Klaus Echle

Bevor der Trupp so richtig loslegen kann, muss er erst einmal hoch hinaus: 50 oder gar 60 Meter. Doch weder Treppe noch Fahrstuhl führen die Männer in die Höhe – Klettern auf hochragende Bäume ist angesagt. Dazu schießen sie mit einer Schleuder eine Wurfleine über möglichst hohe und ausreichend tragfähige Äste. Daran ist ein Säckchen mit einem Gewicht angebracht, das wieder zur Erde runtergleitet – womit sich wiederum ein stabiles Kletterseil nach oben ziehen lässt. Ausgerüstet mit Helm, Gurtsicherung, Rucksack, Verpflegung, Messer und Eimer hangeln sich die Männer dann wie mit einer Art Flaschenzug in die Höhe. Die früher üblichen Steigeisen sind dagegen weitgehend tabu, sie verletzen die Rinde zu sehr.

„Es kann eine halbe Stunde dauern, bis sie in den Kronen sind“, sagt Klaus Echle, der die Männer beim Aufstieg beobachtet. Es sind Zapfenpflücker von Subunternehmen. Als Saatgutbeauftragter im Forstamt Freiburg hat der Förster sie beauftragt. In den teilweise sehr steilen Wäldern rund um die Stadt im Breisgau ernten die Zapfenpflücker vor allem Douglasien. Da die Douglasie eine hohe Trockenresistenz aufweist, ist ihr Samen in ganz Deutschland begehrt. Sie gilt als Baum, der mit den erwarteten Klimaveränderungen gut zurechtkommen wird. Die Freiburger Erntemenge entspricht etwa 80 Prozent aller in Baden-Württemberg geernteten Douglasien-Zapfen. „Im August sind ihre Samen reif, der Nadelbaum ist dann meist die erste Baumart, die geerntet wird“, erläutert Echle. Es bleibt aber nie viel Zeit, schon im Herbst öffnen sich die Zapfen und die Samen fallen heraus.

Vestibulum tortor quam, feugiat vitae, ultricies eget, tempor sit amet, ante.

Angekommen in den Baumwipfeln schneiden die Zapfenpflücker die ersten Zapfen mit dem Messer auf und schauen, ob genügend gesunde Samen darin verborgen sind. Ihre Arbeit ist immens wichtig: Mit den Samen können in Baumschulen neue Bäume gezogen und damit die Wälder der nächsten Generationen gesichert werden. Eine solche Ernte in luftiger Höhe ist aber auch äußerst anstrengend. Immer wieder gilt es, schwere Äste zum Abernten heranzuziehen. Die Finger sind rasch harzverklebt, weshalb die Zapfenpflücker ihre Hände in regelmäßigen Abständen mit einem Öl einreiben. Erfahrene Zapfenpflücker bleiben den ganzen Tag hoch über der Erde und hangeln sich mit ihren Seilen durch bis zu sieben Bäume. Mehr als 100 Kilo Zapfen landen an einem Tag in ihren Säcken, die sie nicht nur von den Bäumen abwerfen, sondern abends auch noch aus dem Wald herausziehen. Zudem müssen sie stets konzentriert bleiben: Die Bäume schwanken im Wind, ein falscher Griff, eine kleine Unachtsamkeit könnten fatale Folgen haben.

Schlecht gelaunt gibt es nicht
Für einen Zapfenpflücker gibt es gleichwohl keinen schöneren Arbeitsplatz als in den Wipfeln der Bäume. In dem grünen Meer aus Ästen ist der Boden nicht mehr zu sehen, der Alltag rückt in der Ruhe der Natur in weite Ferne. „Ich kenne keinen Zapfenpflücker, der schlecht gelaunt zur Arbeitkommt“, beschreibt Echle. „Oft trällern sie ihre Lieder vor sich hin.“ Er klettert diesmal zwar nicht mit auf die Bäume, er kennt die Gefühle von Zapfenpflückern dennoch allzu gut. Auch Echle besitzt eine Seilkletterausbildung und war als Zapfenpflücker tätig. Im Freiburger Wald ist er unter anderem schon auf den höchsten Baum Deutschlands, die circa 68 Meter hohe Douglasie „Waltraud vom Mühlwald“, und in den USA sogar schon auf mehr als 90 Meter emporragende Mammutbäume gestiegen.

Als Saatgutbeauftragter betreut der Förster und passionierte Naturfotograf die Samenernte der Douglasie. In Spitzenjahren kommen an die 50 Tonnen zusammen, 2021 war allerdings ein Totalausfall und 2022 ein eher mittelprächtiges Jahr. Eine Tonne Zapfen erbringt einen Gewinn von rund 1.000 Euro für den Freiburger Forst, aus einem Kilo Douglasien-Samen lassen sich etwa 35.000 kleine Bäume ziehen.

Vorsicht auch beim letzten Schritt
Die Zapfen kommen nach der Ernte zu so genannten Klengen, von denen es in Deutschland insgesamt nur acht gibt. Der Begriff ist vom typischen knisternden Geräusch abgeleitet, das die Zapfen machen, wenn sie beim Trocknen aufspringen. Das Land Baden-Württemberg betreibt eine eigene Staatsklenge in Nagold, die neben den Douglasien-Zapfen aus Freiburg noch etliche weitere Zapfenarten aus ausgewählten Waldbeständen sammelt, den Samen aufbereitet und teilweise bis zu einem Vierteljahrhundert einlagert, ehe ein Käufer ihn bestellt. Als Landesbetrieb versorgt die Nagolder Klenge neben privaten Baumschulen die unteren Forstbehörden und Forstbaumschulen des Landes mit qualitativ hochwertigem und herkunftsgesichertem Saatgut.

Vestibulum tortor quam, feugiat vitae, ultricies eget, tempor sit amet, ante.

Die exakte Datierung zur Herkunft des Samens ist wiederum von hoher Bedeutung. Denn wie am Beginn ihres Weges, der Arbeit der Zapfenpflücker, ist auch beim letzten Schritt, der Neubepflanzung, wieder Vorsicht bei den Samen angebracht. Die aus ihnen herangezüchteten neuen Bäume sollten genau zu den jeweiligen klimatischen Bedingungen an ihrem Bestimmungsort passen, so der Saatgutbeauftragte Echle: „Bei uns wächst beispielsweise die Weißkiefer von der Rheinebene bis zum 1.400 Meter hohen Feldberg, doch eine Tieflandkiefer gehört nicht in die Hochlagen, sie würde nach 30, 40 Jahren bei richtigem Schneefall abbrechen.“

vimeo.com


Klaus Echle ist nicht nur Förster, sondern auch ein vielfach ausgezeichneter Naturfotograf.
Von ihm stammen die Fotos zu dieser Reportage.

Weitere Informationen:
echle-naturfoto.de

Christoph Ertz