Safety First

Wie Spiderman über dem Europa-Park

Julien Thillou wuchtet seinen Körper über einen Holzbalken – in 40 Metern Höhe! Wie Spiderman seilt er sich dann hinter das darunter liegende tonnenschwere Emblem der Holzachterbahn „Wodan – Timburcoaster“ im Europa-Park ab. Dort kontrolliert er rund 50 Schrauben an der Befestigung. „Wenn die Züge über die Schienen rattern, vibriert alles, deshalb können sich Schrauben lockern“, erklärt er. „Wir checken immer, ob alles sicher ist.“

 


Anders als Spiderman ist der Franzose mit Seil, Gurt und Karabinerhaken gesichert. Den allermeisten würde bei dieser Arbeit dennoch schon auf dem Boden schwindlig werden. Thillou ist aber nicht nur körperlich fit und schwindelfrei. Er weiß genau, was er tut. Weit über dem Erdboden hängend genießt er nicht nur die unvergleichliche Aussicht: „Das ist schon sportlich heute, aber auch gut für den Körper. Wir haben einen schönen Blick und müssen immer auf alles vorbereitet sein.“

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Julien Thillou ist einer von fünf festangestellten Industriekletterern im Europa-Park Erlebnis-Resort. Schon seit einigen Jahren arbeitet der Elsässer für den Park, zunächst war er Stuntman in der Rittershow. Aber er sah oft Industriekletterern zu, wie sie auf Gebäuden oder Attraktionen herumkraxelten. „Das ist auch eine schöne Arbeit“, dachte er und nach der entsprechenden Ausbildung geht es für ihn inzwischen so gut wie jeden Tag ebenfalls hoch hinaus. „Ich liebe das Klettern mit den Seilen“, betont Thillou. Unter anderem klettern er und seine Kollegen auch auf den „Silver Star“ und damit den mit 72 Metern höchsten Punkt im Europa-Park Erlebnis-Resort. Auch dort überprüfen sie Schrauben und andere Stahlteile. Oder sie seilen sich vom Dach des Hotels „Colosseo“ ab und bringen an der Fassade eine Fahne an. Außerdem besteigen sie in der Wasserwelt Rulantica die höchsten und steilsten Rutschen, um sie sauber zu machen.

Nur Franzosen gehen in die Luft
„Für solche Arbeiten müssten wir sonst Hebebühnen und Kräne einsetzen“, erklärt Florian Frey, Stellvertretender Leiter Betriebstechnik, der die Industriekletterer zugeordnet sind. „Das wäre oft viel aufwendiger zu organisieren und auch kostspieliger.“ Daher wurden 2019 die ersten Industriekletterer fest eingestellt. Dabei handelte es sich um Kletterer einer Firma aus dem Elsass, die bereits über Jahre hinweg immer wieder zu Höhenarbeiten in Deutschlands größtem Freizeitpark tätig war. So kommt es, dass sämtliche Industriekletterer im Europa-Park Erlebnis-Resort Franzosen sind. Zu ihren spektakulärsten Arbeiten gehörte zuletzt die Renovierung der Dunkelachterbahn „Eurosat – CanCan Coaster“. Dabei halfen sie, die insgesamt 1.500 Teile der kugelförmigen Außenhülle zu demontieren – und später wieder zu befestigen. Aus so vielen Dreiecken besteht nämlich die große Silberkugel. Und jedes dieser Dreiecke, von denen es 26 verschiedene Formen gibt, muss von Zeit zu Zeit frisch gereinigt, geschliffen und neu lackiert werden – ein echtes Puzzle für die Kletterer.

 


„Im Grunde ist jeder Einsatz der Industriekletterer spektakulär“, betont Florian Frey. Meist führen sie ihre Arbeiten ab 5 oder 6 Uhr morgens aus, bevor der Besucherstrom einsetzt. Am seidenen Faden hängen die Industriekletterer aber nie. Im Europa-Park Erlebnis-Resort sind sie allesamt nach dem höchsten Level der Industrial Rope Access Trade Association – kurz IRATA – ausgebildet, dem international führenden Verband in diesem Bereich. Die Fertigkeiten werden zudem in regelmäßigen Fortbildungen aufgefrischt.

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Auf alles gefasst
Julien Thillou ist derweil mit einem Kollegen nun entlang der Schienen der Wodan-Achterbahn unterwegs. Weiterhin in luftiger Höhe, der Blick fällt weit über die morgendliche Rheinebene. Die Achterbahn ist ein wahres Wunderwerk aus Holz. Sie besteht aus 21.000 Balken. Zwei Millionen Nägel und 100.000 Schraubverbindungen halten sie zusammen. Die Schiene der Achterbahn wurde in den letzten Jahren aufwendig saniert. Für das so genannte „Re-Tracking“ kamen Industriekletterer und weitere Fachkräfte der US-amerikanischen Herstellerfirma „Great Coasters International“ zum Einsatz. Jeden Morgen wird die Holzachterbahn zudem von Thillou und seinen Kollegen abgegangen und überprüft. Jeder Kletterer muss mechanisches und handwerkliches Geschick mitbringen, das wird hier besonders deutlich. „Das Holz und die Schienen verhalten sich in Bezug auf das Wetter entgegengesetzt“, berichtet Thillou. „Bei Wärme dehnt sich der Stahl aus und das Holz zieht sich zusammen.“ Beides kann dazu führen, dass sich Schrauben lockern und Material spröde wird, daher die ständigen Checks. Die Kletterer haben aber nicht nur die Technik im Blick. Sie betätigen sich außerdem als Sammler. Bei der rasanten Fahrt mit der 100 Stundenkilometer schnellen und 1.050 Meter langen Wodan, hat schon so mancher Passagier nicht nur Schal oder Mütze verloren. „Bargeld finden wir auch häufiger“, sagt Thillou. „Und einmal sogar ein Gebiss, das war schon komisch.“ Industriekletterer müssen eben auf alles gefasst sein.

Christoph Ertz