Freizeitindustrie blickt optimistisch in die Zukunft

Für 2022 fast eine Milliarde Besucher weltweit in Freizeitparks erwartet / Gespräch mit dem Vizepräsident des Verbandes der internationalen Freizeitindustrie (IAAPA), Jakob Wahl / Europa-Park gilt mit seiner hohen Innovationskraft als weltweites Vorbild

Was sind die aktuellen Trends in der weltweiten Freizeitindustrie?
Jakob Wahl: Schon in den vergangenen Jahren haben wir weltweit einige Trends gesehen, die durch die Pandemie zum Teil noch verstärkt wurden. Dabei würde ich einige besonders hervorheben wollen: Da wäre zum einen die immer größere Nachfrage nach Kurzurlaub und so genannten „Staycations“. Statt langer Flugreisen wollen immer mehr Menschen lieber einen perfekten Kurzurlaub mit ganz besonderen Erlebnissen kombinieren. Thematisierte Übernachtungsangebote mit einzigartigen Zimmern und gastronomischen Angeboten ergänzen da das Erlebnis eines Freizeitpark-Besuchs auf perfekte Weise.

Vizepräsident der internationalen Freizeitindustrie Jakob Wahl

Aber auch in puncto Technologie war Covid-19 ein Beschleuniger für die Branche: vorher online reservierte und erworbene Tickets, Tischreservierungen, virtuelle Warteschlangen, Wartezeiten-Prognosen, Parkplatzbuchung, Informationen zur Auslastung und vieles mehr, das geht alles mittlerweile per App und das vereinfacht und verbessert das Besuchererlebnis deutlich. Das sind beides eindeutige Faktoren dafür, dass sich das Erleben eines Freizeitpark-Besuchs mittlerweile viel weiter streckt. Die Vorfreude bei der Planung wird größer und das Erlebnis ist mit dem Verlassen des Parks am Abend bei weitem noch nicht am Ende.

Wo stehen Europa und speziell Deutschland, sind wir auf Augenhöhe mit den amerikanischen Parks?
Wahl: Wir müssen uns in Europa und Deutschland definitiv nicht verstecken. Auch wenn die Basis eines Freizeitparks mit Attraktionen, Shows und Gastronomie weltweit überwiegend die gleiche ist, so gibt es doch immer kulturell bedingte Unterschiede. Und das ist auch gut so, denn so kann man sich immer gegenseitig inspirieren (lassen). Weltweite Auszeichnungen für europäische Parks sprechen da doch eine deutliche Sprache; die wiederholten „Golden Ticket Awards“ für den Europa-Park oder der „Applause Award“ für das Puy du Fou sind da ja nur zwei Beispiele.

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Walt Disney World Resort, Orlando in Florida.

Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Parks in Deutschland und den USA?
Wahl: Das ist schwierig zu pauschalisieren, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Vereinfacht gesagt: In Amerika zählen immer noch die Rekorde mehr, während in Deutschland doch mehr Wert auf das Erzählen von Geschichten und die Thematisierung gelegt wird. Auch geht es hier etwas familiärer zu, während es in den USA doch eine wirkliche Industrie ist. Das mag aber auch daran liegen, dass Freizeitparks in den USA in der Breite der Gesellschaft doch etwas mehr verwurzelt sind, als das vielleicht in Deutschland der Fall ist.

Was ist aus Ihrer Sicht wichtiger für die Zukunft von Freizeitparks: Rekorde, also höher, schneller und weiter, oder eher Familienattraktionen?
Wahl: Die Pandemie hat eindeutig bewiesen, wie wichtig es für unser Wohlbefinden ist, Zeit miteinander zu verbringen. Gemeinsam Spaß zu haben, gemeinsam den Alltag hinter sich zu lassen. Rekorde wird es immer geben und das ist ja auch etwas Tolles. Aber ein Rekord ist überwiegend nur für einige Jahre ein solcher; gemeinsame Erlebnisse über Generationen hinweg bleiben jedoch Erinnerungen fürs Leben. Eine Rekord-Achterbahn ist eine tolle Herausforderung und zieht Besucher an. Aber die erste Achterbahnfahrt von den Eltern mit dem Kind oder das Bild von der Themenfahrt mit den Großeltern und dem Enkelkind, das bleibt oft fürs Leben. Das sah man ja auch an den Reaktionen nach dem Brand bei „Piraten in Batavia“.

Werden Freizeitparks mit Hotels zunehmend eigene Reisedestinationen?
Wahl: Ich erwähnte es ja schon, das ist definitiv der Fall und beschränkt sich nicht alleine auf Hotels. Lodges mit direktem Blick ins Tiergehege, Glamping-Angebote (luxuriöse Camping-Zelte), Baumhäuser und Themenhotels sind definitiv einer der großen Trends der vergangenen Jahre. Um den Besuchern mehr zu bieten, wird dann oftmals auch in einzigartige gastronomische Konzepte oder Erweiterungen des Angebots investiert. Von Klettergärten über Minigolfplätze oder eben auch Wasserparks entsteht da derzeit vieles. Wichtig dabei ist aber auch die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Regionen: mit E-Bike-Verleih, Ausflugstipps und weiterer touristischer Infrastruktur wird der Aufenthalt in einem Freizeitpark zu einem richtigen Kurzurlaub in der Region.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung?
Wahl: Digitalisierung ist sowohl hinter als auch vor den Kulissen ein riesiges Thema. Kein Mensch will heute mehr auf sein Handy verzichten. Leider schaut er mittlerweile auch viel mehr auf den kleinen Bildschirm, als all die wunderschönen Details in den Parks zu erleben. Insofern setzen Parks daran, wie man dank des Handys das Erlebnis, wie schon mit einigen Beispielen erwähnt, für den Gast vereinfachen aber gleichzeitig auch erweitern kann. Da gibt es ganz wunderbare Beispiele, wo man zum Beispiel über die App Wasserkanonen auslösen oder Tiere füttern kann. Aber auch hinter den Kulissen hat die Digitalisierung durch die Pandemie einen großen Schub erhalten. Online-Reservierungs-Systeme haben fast überall Einzug gehalten und viele Parks damit auch auf ein Dynamic-Pricing umgestellt. Ähnlich wie bei Hotels und Flugreisen bestimmt dabei die Nachfrage den Preis. Auch mehr und mehr Skigebiete ziehen da tatsächlich mit.

Wie müssen sich Freizeitparks dem Thema Nachhaltigkeit stellen?
Wahl: Nachhaltigkeit ist das große Thema der kommenden Generationen und insofern passiert da derzeit sehr viel in unserer Branche. Auf nationaler Ebene, wie zum Beispiel in Frankreich, gibt es bereits erste Zertifizierungen für nachhaltige Freizeitattraktionen und auch die IAAPA als Verband hat einen weltweiten Ausschuss zu dem Thema ins Leben gerufen. Dabei möchte ich aber betonen, dass es nicht allein um ökologische Nachhaltigkeit, sondern um die von der UN entworfenen 17 Ziele der nachhaltigen Entwicklung, geht. Und ich merke da eine unglaubliche Bereitschaft, sowohl der großen Freizeitpark-Gruppen als auch familiengeführten Unternehmen, sich in diesem Bereich stärker zu engagieren.

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Welche Ansätze sehen Sie bei der Mitarbeitergewinnung für die Freizeitindustrie?
Wahl: Das Gastgewerbe hat wohl wie kaum eine zweite Branche durch die Corona-Pandemie an Attraktivität eingebüßt. Es gibt viele Mitarbeiter, denen die Unsicherheit zu viel wurde, oder wieder andere, die einfach ihren Beruf ausüben wollten und es leider nicht mehr so konnten. Das ist definitiv eine große Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen. Aber wir brauchen uns da nicht kleiner zu machen als wir sind: Wir arbeiten in einer tollen Branche und unsere Aufgabe ist es, Menschen unvergessene Momente zu bescheren. Sie glücklich zu machen. Wer kann das schon von sich behaupten? Zusätzlich sehen wir auch viel Bewegung: Mit den Saisonerweiterungen können wir Mitarbeiter mittlerweile auch mehr und mehr ganzjährig beschäftigen. Es wird viel in betriebliche Zusatzangebote und Förderungen investiert. Just dieser Tage hat der amerikanische Freizeitpark-Betreiber Hershend sogar angekündigt, all seinen 11.000 Mitarbeitern jegliche Fortbildungskosten zu zahlen.

Werden Wasserparks die Welt der Freizeitindustrie erobern?
Wahl: Das haben sie schon längst. Ein Wasserpark als Ergänzung eines Freizeitparks war und ist ein bewährtes Konzept weltweit. Diese waren jedoch in der Regel outdoor und erst mit den steigenden Übernachtungs-Angeboten sehen wir, dass, wie auch der Europa-Park, mehr und mehr Freizeitparks auch Indoor-Wasserparks als Ergänzung sehen. Liseberg in Schweden oder das Futuroscope in Frankreich sind da nur zwei Beispiele, wo die Planungen bereits weit fortgeschritten sind.

Wie hat die Freizeitindustrie die Corona-Pandemie verarbeitet? Können alle Unternehmen solch einen tiefen Einschnitt überleben?
Wahl: Die Pandemie war ein furchtbarer Einschnitt für unsere Branche. Freizeitparks, die auch während zwei Weltkriegen geöffnet waren, sahen sich plötzlich in ihrer Existenz bedroht. In Schweden, wo ja ansonsten eine sehr liberale Covid-Politik gefahren wurde, mussten Freizeitparks sogar das gesamte Jahr 2020 geschlossen bleiben! Glücklicherweise gab es Unterstützung in zahlreichen Ländern, auch wenn diese nur einen kleinen Teil der Verluste auffangen konnte. Doch unsere Branche hat stets vorsichtig gehaushaltet und so können wir optimistisch nach vorne schauen. Ich glaube, wir haben alle viel gelernt, wie wir die Parks noch besser managen können und dabei auch die Kundenzufriedenheit steigern konnten. Und eines bin ich mir sicher: Die Nachfrage ist da, denn mehr denn je wollen unsere Gäste einen schönen und sorgenfreien Tag mit der Familie und oder Freunden verbringen. So blicken wir doch optimistisch in die nähere Zukunft.

Wo steht in der internationalen Wahrnehmung der Europa-Park?
Wahl: Der Europa-Park ist definitiv einer der Leuchttürme der Branche weltweit. Die Zusammenarbeit mit Mack Rides, die tollen Attraktionen, die detail-verliebte Thematisierung, die aufwändigen Shows, die wirklich beeindruckenden Themenhotels und das gastronomische Angebot werden in der Branche immer wieder bewundert. Insbesondere aber ist es die Familie Mack, die mit ihrer Innovationsfreude, dem „Nie-Nachlassen“, den ambitionierten Investitionen und vor allem der unvergleichlichen Gastfreundschaft weltweit in der Branche für ein Lächeln auf den Lippen sorgt, wenn man mit Kollegen über den letzten Aufenthalt in Rust spricht. Es ist dieses Gefühl, dass man hier auch Dinge umsetzt, die kurzfristig ökonomisch vielleicht keinen Sinn machen. Die der Gast vielleicht gar nicht realisiert. Die aber in ihrer Perfektion dann doch irgendwo hängen bleiben beim Besucher. Der Fokus im Europa-Park liegt nur auf dem Gast. Das merkt man natürlich noch viel mehr, wenn man in der gleichen Branche arbeitet. Und dass die Familie Mack als Betreiber sich auch selber immer über Fachbesucher freut, Einblicke hinter die Kulissen bietet und offen und ehrlich über Erfahrungen berichtet, dass wissen alle in der Branche sehr zu schätzen. Der Europa-Park ist ebenso bei der Digitalisierung etwa mit VR-Coastern, aber auch mit digitalen und medialen Inhalten seiner kreativen Tochterfirmen richtungsweisend.

Können Sie uns einige Eckdaten nennen zur weltweiten Freizeitindustrie: Wieviele Mitarbeiter sind hier tätig, wieviel Besucher zählen Sie pro Jahr, wie stark ist das Wirtschaftsaufkommen?
Wahl: Das ist eine schwierige Frage, weil wir dafür die Branche klar eingrenzen müssten. Die IAAPA hat Mitglieder aus allen Bereichen der Freizeitwirtschaft: Vom Freizeitpark übers Museum, Aussichtsturm, Kino und Wasserpark bis zum Skigebiet vereinen wir eine Vielzahl an Unternehmen, die sich als Teil unseres Sektors definieren. Wir haben im Jahr 2019 eine Studie zu den wirtschaftlichen Rahmendaten in Europa durchgeführt: Dabei gehen wir von knapp 275 Millionen jährlichen Besuchern in den Freizeitparks, Wasserparks und Hallenspielplätzen, 180.000 Arbeitsplätzen und 3,5 Milliarden Euro an gezahlten Steuern aus. Für das Jahr 2022 erwarten wir laut unserem „IAAPA Global Theme and Amusement Park Outlook“ schätzungsweise 930 Millionen Besucher in den Freizeitparks dieser Welt.

Horst Koppelstätter

Jakob Wahl
hat neun Jahre Erfahrung bei der IAAPA. Er kam zunächst als Programm-Manager zur IAAPA, wo er dem Verband fünf Jahre lang im Verbandsbüro in Brüssel diente. Anschließend arbeitete er als Referent der Geschäftsführung und Unternehmenssprecher im Europa-Park in Rust, Deutschland, bevor er 2017 als Vizepräsident und Geschäftsführer der IAAPA Europe, Middle East, and Africa (EMEA) zur IAAPA zurückkehrte. Er wurde im November 2021 zum Executive Vice President und COO befördert. In dieser Rolle berichtet Wahl an IAAPA CEO and President Hal McEvoy und verantwortet die weltweiten Regionalbüros der IAAPA, den globalen Vertrieb, drei globale Ausstellungen und zusätzliche Mitgliederveranstaltungen auf der ganzen Welt. Jakob Wahl ist mit Anne-Catrin Wahl verheiratet, hat zwei Töchter und lebt in Orlando/ Florida.

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