„Klassentreffen“ von EM-Helden

Die Fussball-Europameister von 1996 trafen sich im Europa-Park / Emotionales Wiedersehen mit Anekdoten, Achterbahnen und Erinnerungen / Grosses Interview mit Berti Vogts über sein Leben und die Freundschaft mit der Familie Mack

Em-Finale 1996, Wembley-Stadion in London, 21 Uhr Ortszeit. Oliver Bierhoff nimmt im Strafraum den Ball mit dem Rücken zum Tor des deutschen Finalgegners Tschechien an. Er dreht sich und schließt mit links ab. Torhüter Petr Kouba lässt den Ball durch seine Hände gleiten und sieht sehr unglücklich aus, als das Spielgerät vom Innenpfosten über die Linie kullert. 25 Jahre später, „Ballsaal Berlin“ im Europa-Park: Während über eine Leinwand auch Bierhoffs entscheidendes erstes Golden Goal der Fußballgeschichte flimmert, schwelgen die EM-Helden von damals um Kapitän Jürgen Klinsmann in Erinnerungen. Es ist das erste Mal, dass sie als Mannschaft wieder zusammenkommen. „Einfach toll, dass wir uns hier im Europa-Park nach dieser langen Zeit endlich wiedersehen – das ist wie ein Klassentreffen“, sagte Klinsmann.

Mit von der Partie waren insgesamt 16 Spieler der damaligen Mannschaft – unter ihnen Andreas Köpke, Fredi Bobic, Thomas Häßler und Matthias Sammer. Außerdem gesellten sich unter anderem Ex-Bundestrainer Joachim Löw, der frühere DFB-Kapitän Philipp Lahm sowie Tennislegende Boris Becker dazu. In der Endphase des Turniers war Becker nach einem verletzungsbedingten Wimbledon-Aus ständig zur Behandlung im Londoner Hotel seiner Fußball-Kollegen. „Auf einmal saß er sogar mit im Mannschaftsbus“, lacht heute der damalige Bundestrainer Berti Vogts. „Das habe ich erst hier in Rust erfahren.“ Bis spät in die Nacht wurde im Europa-Park gefeiert.

Vestibulum tortor quam, feugiat vitae, ultricies eget, tempor sit amet, ante.

Andreas Köpke (links) und Jürgen Klinsmann

„So ein Treffen gab es noch nicht“, berichtet Vogts. Er hatte den Besuch zusammen mit Klinsmann initiiert und dafür seine engen Kontakte zur Familie Mack genutzt: „Die WM- und EM-Sieger von 54 und 74 sowie 72 und 80 kamen nie mehr in so einem Rahmen zusammen.“ Die Weltmeister von 1990 treffen sich mittlerweile alle fünf Jahre, nachdem ihre erste Zusammenkunft 2010 ebenfalls im Europa-Park ausgetragen wurde – aber jeweils für einen Tag. Für die Europameister von 1996 hatten sich DFB und Europa-Park einen ganz besonderen Rahmen ausgedacht. Zweieinhalb Tage konnten die Fußballstars von einst zusammen mit Ehefrauen und Partnerinnen im Park verbringen. Auf ihrem Programm standen neben dem festlichen Galaabend im „Ballsaal Berlin“ unter anderem noch Golfen, ein Achterbahnquiz beim „Blue Fire Megacoaster“ und ein Scooter-Match in der „Arena of Football“. Mehr als ein halbes Jahr hätten die Vorbereitungen in Anspruch genommen, erläutert Jürgen Mack, Inhaber des Europa-Park, der die Europameister voller Stolz begrüßte: „Wer uns kennt, weiß, dass unsere Herzen nicht nur für Achterbahnen, sondern auch für den Fußball schlagen.“

„Bedankt Euch beim Europa-Park“
Für Berti Vogts war der EM-Triumph der Höhepunkt seiner Trainerkarriere. „Bei der WM 1994 hatte ich bessere Einzelspieler, aber das war keine Mannschaft“, erklärt der frühere Bundestrainer. „Die 96er Spieler hatten dagegen einen ganz besonderen Charakter und als Mannschaft sind sie auch jetzt im Europa-Park wieder aufgetreten.“ Beim Turnier in England musste der DFB-Tross große Widerstände wie Verletzungen, Sperren und Rückstände überwinden. Vogts nennt das Beispiel Jürgen Kohler, der sich bereits im ersten Gruppenspiel schwer verletzte. Im Verlauf des Turniers kam der eisenharte Verteidiger aber wieder nach England und nahm seinen Ersatz, den unerfahrenen Markus Babbel, unter die Fittiche. „Ich brauchte mit Markus fast gar nicht mehr reden, das machte Jürgen Kohler“, verrät Vogts. Zum Endspiel war die Personaldecke so ausgedünnt, dass er sogar für die Ersatztorhüter Oliver Kahn und Oliver Reck Feldspielertrikots vorbereiten ließ. Von ihrem Treffen im Europa-Park seien die Spieler total begeistert gewesen, sagt der Europameister-Trainer – und fügt hinzu: „Ich habe ihnen gesagt, Ihr müsst Euch nicht bei mir bedanken, sondern beim Europa-Park.“

 

Im Interview mit emotional pur lässt Berti Vogts nun seine immens erfolgreiche Spieler- und Trainer-Karriere Revue passieren und spricht über seine Freundschaft mit der Familie Mack.

Geboren in der Nähe von Düsseldorf hätten Sie auch für Fortuna Düsseldorf spielen können – wie wäre Ihre Karriere verlaufen, wenn Sie nicht zur berühmten Fohlenelf von Borussia Mönchengladbach gehört hätten?
Berti Vogts: Das weiß ich nicht. Als Kind war ich tatsächlich Fan der Fortuna. Aber Dettmar Cramer als Trainer der westdeutschen Jugend-Auswahl riet mir zu Gladbach. Da gebe es mit Hennes Weisweiler einen Trainer, der arbeite mit jungen Spielern. So ging ich zur Borussia, auch wenn Fortuna mir fast das Doppelte bezahlt hätte. 800 Mark brutto im Monat habe ich anfangs verdient. Sie haben mir noch den Führerschein und einen Opel Rekord mit 140.000 Kilometern auf dem Tacho bezahlt. Aber es hätte nicht besser laufen können, als das, was in Gladbach dann in den 70er Jahren entstanden ist.

Welche Bedeutung hatte Ihr Trainer Hennes Weisweiler?
Vogts: Ich habe ja als Junge innerhalb von drei Monaten meine Eltern verloren und kam zur Schwester meiner Mutter, die mich großgezogen hat. Viele sagen, Weisweiler sei ein Vaterersatz gewesen und ich konnte mit ihm tatsächlich auch über Probleme sprechen, vor allem auch mit seiner Frau. Aber einen Vater gibt es nur einmal. Weisweiler hat mich nie kritisiert, was sportlich entstanden ist, gebührte ihm. Und schon mit Mitte 20 hat er mich zum Trainerberuf gebracht, ich habe das auf seine Initiative im Sonderfach „Fußball“ an der Sporthochschule Köln studiert. Schon 1966 nahm er mich und meinen Mitspieler Herbert Laumen zur WM nach England mit ... aber wahrscheinlich vor allem, weil er nicht selber im Linksverkehr fahren wollte (lacht).

Vestibulum tortor quam, feugiat vitae, ultricies eget, tempor sit amet, ante.

Eine besondere Beziehung entstand auch zu Günter Netzer.
Vogts: Bis heute sind viele aus der Gladbacher Mannschaft von damals miteinander befreundet, Günter ist ein großer Freund. Wenn ich mal in Australien festsitzen würde, der holt mich raus. Schon damals hat er mich unterstützt. Als er die Gladbacher Stadionzeitung herausgab, sollte ich ihm immer Firmenanzeigen besorgen, die wurden vom Stadionsprecher verlesen. Dafür gab es 100 Mark pro Anzeige. Ich fing mit zwölf Anzeigen an und kam später auf 20. Kein schlechter Schnitt zu der Zeit.

Manchmal gerieten Sie aber auch regelrecht zwischen Weisweiler und Netzer.
Vogts: Günter gab schon mal Widerworte. Einmal saßen wir in der Besprechung vor dem Spiel in Italien nach dem legendären Büchsenwurfspiel gegen Inter Mailand und Weisweiler erklärte die Taktik, da sagte Günter: „Jetzt weiß ich endgültig, dass Sie keine Ahnung von Fußball haben. Wie kann man in Italien so offensiv spielen.“ Der Höhepunkt war aber vor dem Pokalfinale 1973 in Düsseldorf gegen Köln. Günter sollte auf die Ersatzbank, sein Wechsel zu Real Madrid stand fest und kurz davor war seine Mutter gestorben. Da wollte er weg, ich bin ihm nach und hab ihn überredet: „Das kannst Du doch nicht machen, es ist Dein letztes Spiel für uns.“ Auf dem Weg von unserem Hotel sind wir von der Polizei eskortiert worden, vorne drei Polizisten auf Motorrädern und hinten auch zwei, dazwischen wir im Bus und dahinter in seinem roten Ferrari Günter. In der Verlängerung hat er sich dann ja selbst eingewechselt. „Jetzt spiel ich“, hat er zu Weisweiler gesagt und macht gleich mit einem Tor des Jahres das entscheidende 2:1. Es gibt im Gladbacher Vereinsmuseum ein Foto, die ganze Bank springt hoch, nur Weisweiler sitzt und hält sich die Hände vor den Kopf.

Fünfmal Deutscher Meister und viele weitere Erfolge ... wie gingen Sie eigentlich mit Niederlagen um?
Vogts: Schon Unentschieden waren für mich Niederlagen, wir waren einfach so stark, das mochte ich nicht. Es gab neue Spieler, die sich über Unentschieden auswärts freuten. Im Bus dann Party machen, das geht nicht, da gab es Reibereien, die mussten das lernen.

Ihr größter Erfolg als Spieler war der Weltmeistertitel 1974, wie sehen Sie das Finale von München heute?
Vogts: Es war schonmal kein Elfmeter für die Niederländer in der ersten Minute, das Foul gegen Cruyff war eindeutig vor dem Strafraum ... und es war ja auch nicht von mir, sondern von Uli Hoeneß, aber für viele war ich der Schuldige. Die Holländer hatten die besseren Einzelspieler, aber die bessere Mannschaft waren wir. Ich war mit meinem Gegenspieler Johan Cruyff sogar befreundet, den konnte man nicht ganz ausschalten, aber ich habe ihn nicht so zur Geltung kommen lassen. Im Training hatte Günter Netzer quasi die Rolle von Johan simuliert, es war klar, dass ich ihn schon ab der Mittellinie nehmen musste, später hätte ich bei seiner Geschwindigkeit keine Chance gehabt. Ein Unentschieden wäre aber ein gerechtes Resultat gewesen.

Wie blicken Sie auf Ihre Zeit als Trainer zurück?
Vogts: Ich bin zufrieden. 1992 wäre ich gerne Europameister geworden, aber da waren wir vor dem Finale gegen Dänemark zu sicher, und 1994 hatten wir von den einzelnen Spielern her die mit Abstand beste Mannschaft, sind aber zurecht gegen Bulgarien ausgeschieden. 1996 hatten wir eine richtige Mannschaft, Fußball ist eben Mannschaftssport. Später habe ich noch unter anderem Schottland, in Kuwait, Nigeria und sieben Jahre Aserbaidschan trainiert. Wir sind in der Weltrangliste von Platz 130 auf 68 geklettert, für das Ringerland eigentlich unglaublich, und das obwohl ich zunächst einen Dolmetscher hatte, der immer falsch übersetzte, weil er keinen Spieler kränken wollte.

Sie sind herumgekommen in der Welt – haben Sie einen Lieblingsort?
Vogts: In den USA bin ich besonders gerne, dort war ich ja auch Berater, als Jürgen Klinsmann Nationaltrainer war. Die Adventszeit in New York ist für mich das Schönste, die Tannenbäume und die Eisbahn in der riesigen Stadt, traumhaft.

Wie kam es zur Freundschaft mit der Familie Mack?
Vogts: Seit den 90er Jahren war ich immer wieder mal im Europa-Park, heutzutage komme ich so zwei-, dreimal im Jahr hierher. Die Familie ist immer sehr freundlich und entgegenkommend, natürlich nicht nur zu mir. Man fühlt sich hier einfach zu Hause, so ist es zu einer richtigen Freundschaft gekommen.

Wie erleben Sie die Entwicklung des Parks?
Vogts: Ich kannte Freizeitparks vorher nur aus den USA, aber die können nicht mehr mithalten mit dem Europa-Park. Man kommt hier auf andere Gedanken, geht zufrieden nach Hause und freut sich wieder. Im Park lese ich nie Zeitung, es ist so schön hier und die Leute sind so nett, die hier arbeiten. Das liegt an der Familie, die einfach großen Wert darauflegt, wie man miteinander umgeht.

Hans-Hubert, genannt Berti, Vogts
zählt zu den prägendsten und erfolgreichsten Figuren des deutschen Fußballs. Geboren 1946 in Büttgen am Niederrhein wurde er mit Borussia Mönchengladbach in den 70er Jahren fünfmal Deutscher Meister, DFB-Pokal- und UEFA-Cup-Sieger. Mit der Nationalmannschaft gewann er die Weltmeisterschaft 1974. Von 1979 bis 90 war er Juniorentrainer des Deutschen Fußballbundes. Ab 1990 bis zu seinem Rücktritt 1998 trainierte er die deutsche Fußballnationalmannschaft und führte sie 1996 zum dritten und bislang letzten EM-Titel.

Vestibulum tortor quam, feugiat vitae, ultricies eget, tempor sit amet, ante.

Europa-Park-Inhaber Jürgen Mack über die Verbindung des Europa-Park zur Sportwelt:
„Mein Bruder Roland, unsere Kinder, ja wir sind alle sport- und vor allem fußballbegeistert. Seit vielen Jahren waren immer wieder berühmte Sportler bei uns zu Gast, so Franz Beckenbauer häufig mit seiner Familie und sogar Pelé. Man kommt miteinander ins Gespräch und es entwickeln sich nach und nach immer mehr und intensivere Kontakte

Als der französische Polizist Daniel Nivel von deutschen Hooligans 1998 während der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich lebensgefährlich verletzt worden war, haben wir seine Polizei-Brigade mit Angehörigen in den Park eingeladen. Unter Rudi Völler war die Nationalmannschaft mal während ihrer WM-Vorbereitung 2002 zur Abwechslung im Park. Wir haben dann ja sogar mit Eröffnungsshows Länderspiele und in den Nullerjahren dreimal hintereinander Champions-League-Endspiele begleitet. Den SC Freiburg unterstützen wir bereits seit mehr als 30 Jahren, jetzt sogar mit der Namensgebung für das „Europa-Park Stadion“, und auch Racing Straßburg und der FC Basel werden von uns gesponsort. Wir haben wirklich zu ganz vielen einen guten Kontakt.“

Christoph Ertz

Vestibulum tortor quam, feugiat vitae, ultricies eget, tempor sit amet, ante.