Europa-Park als Pionier und Impulsgeber

Interview mit Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), über Tourismus und Nachhaltigkeit

Wie kann im Deutschlandtourismus die Balance zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung gelingen?
Petra Hedorfer: Der Tourismus muss und kann – genau wie andere Wirtschaftszweige – seinen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Bereits 2015 haben sich die UN-Mitgliedsstaaten auf die Sustainable Development Goals (SDGs) verständigt. Im European Green Deal ist seit 2019 das Ziel formuliert, bis 2050 die CO2-Emissionen auf Null zu reduzieren. Anders ist das Zwei-Grad-Ziel bei der Erderwärmung nicht einzuhalten.
Für uns in Deutschland sind die politischen Rahmenbedinungen klar definiert: Bis 2023 soll der Anteil erneuerbarer Energien auf 80 Prozent steigen, bis 2045 wollen wir Klimaneutralität erreichen. Die Tourimusstrategie der Bundesregierung unterstreicht diesen Ansatz. 
Viele Unternehmen in Deutschland – darunter auch der Europa-Park – haben bereits ein breit aufgestelltes und attraktives Angebot, das den Ansprüchen an nachhaltigem Tourismus gerecht wird. Unsere Aufgabe als National Tourist Board ist es, diese Produkte möglichst vielen potenziellen Gästen in unseren Märkten bekannt zu machen. Dabei unterstützen wir beispielsweise eine längere Aufenthaltsdauer der Gäste, weil längere Reisen auch den anteiligen CO2- Fußabdruck pro Reisetag reduzieren. 
Unser zweites großes Thema ist der Wissenstransfer. Dazu teilen wir unser Wissen über die internationale Nachfrageentwicklung im Hinblick auf nachhaltiges Reisen sowie zahlreiche Market Insights mit unseren Partnern in Deutschland.
Und last but not least: Die DZT als Organisation hat ebenfalls eine nachhaltige Agenda. Wir gehen als Unternehmen mit gutem Beispiel voran. Unser Ansatz lautet Messen – Mindern – Kompensieren. Wichtig ist auch, auf technologische Innovationen und Digitalisierung zu setzen.
Das funktioniert sehr erfolgreich. Die DZT ist als Organisation gerade zum zehnten Mal in Folge als Green-Globe-Unternehmen rezertifiziert worden und hat damit den Platinstatus dieser international anerkannten Zertifizierungen erreicht. 

Könnte nachhaltiger Qualitätstourismus zu einem Markenzeichen für Deutschland im internationalen Wettbewerb werden?
Hedorfer: Das ist es bereits. Zahlreiche Rankings bestätigen die hervorragende Positionierung Deutschlands als nachhaltige Destination im internationalen Wettbewerb. So belegen wir beispielsweise im SDG-Index, der die Fortschritte von Ländern bei der Erreichung der UN-Klimaziele abbildet, aktuell Platz 6 von 163 untersuchten Nationen. 2022 haben wir das Marktforschungsunternehmen IPK International beauftragt, bei Auslandsreisen in 27 Quellmärkten des deutschen Incoming-Tourismus das touristische Angebotsspektrum in Bezug auf Klima- und Umweltschutz sowie Nachhaltigkeit zu untersuchen. Laut dieser Analyse erreicht Deutschland den 3. Platz – nach der Schweiz und Schweden und vor Dänemark, Frankreich und Österreich.
Da der Wettbewerb der Destinationen zunimmt, setzen wir bewusst darauf, unser Markenprofil als nachhaltiges Qualitätsreiseziel mit unseren Kampa- gnenthemen bis hin zur Unterstützung unserer Partner bei der Entwicklung nachhaltiger Angebote zu schärfen.

Warum gibt es einen so wichtigen direkten Zusammenhang zwischen Schutz der Umwelt und Tourismus?
Hedorfer: Tourismus, der die außerordentlich komplexen Aspekte der Nachhaltigkeit vernachlässigt, entzieht sich auf Dauer selbst die Lebensgrundlage. Eine intakte Umwelt, aber auch wirtschaftliche Stabilität und soziale Sicherheit sind essenziell für die Attraktivität eines Reiseziels. Dazu kommt: Wir wissen einerseits, dass der Tourismus zum Klimawandel beiträgt. Auf der anderen Seite sorgt er in den bereisten Ländern für wirtschaftliche Wertschöpfung, Wohlstand und Beschäftigung. Damit wiederum werden nötige Investitionen in Natur- und Denkmalschutz mitfinanziert. Und: Ein verantwortungsbewusster Tourismus schafft sozialen Frieden und trägt durch die Begegnung der Kulturen zur Völkerverständigung bei.

Wie stark hilft die Digitalisierung bei einer schlüssigen Nachhaltigkeits-Strategie?
Hedorfer: Die Digitalisierung ist ein enorm wichtiges Handlungsfeld, wenn wir Tourismus nachhaltiger gestalten wollen – in der gesamten Wertschöpfungskette. Beispielsweise der Einsatz von Virtual Reality ermöglicht es, bisher unbekannte Erlebniswelten zu erschließen. Etwa 90 Prozent unserer internationalen Gäste buchen heute online. Unser Open Data-/Knowledge-Graph-Projekt macht nachhaltige und barrierefreie Angebote auf globalen Online-Plattformen sichtbar. KI-gestützte Anwendungen helfen uns, Besucherströme zu lenken und zu entzerren. Damit werden beispielsweise Staus vermieden und touristische Hotspots entlastet. Kurz: Digitalisierung ist ein Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit.

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Wo sehen Sie Ansätze der Nachhaltigkeit in einem Freizeitpark wie dem Europa-Park?
Hedorfer: Der Europa-Park spielt beim Engagement in Sachen Nachhaltigkeit aus meiner Sicht eine Vorbildrolle. Ich denke zuerst an die digitale Präsentation, die potenzielle Gäste inspiriert, nach Rust zu fahren und ein individuelles Programm für sich und ihre Familien zu planen. Weiter geht es mit der Anreise. Die Vernetzung des Unternehmens in der Branche – auch mit der DZT – unterstützt Kooperationen mit den Bahnunternehmen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz, so dass Gäste aus jeder Himmelsrichtung bequem und klimafreundlich mit der Bahn anreisen können.
Und schließlich das Erlebnis im Park selbst: Für mich ist das Unternehmen Europa-Park ein Synonym für Innovationsfreude und ingenieurtechnische Spitzenleistungen. Modernste – auch energiesparende – Technik sieht man hier nicht nur bei den Fahrgeschäften, sondern auch bei zahlreichen Attraktionen, in den Hotels, der Wasserwelt Rulantica oder in dem VR-Erlebniszentrum Yullbe.
Die Zertifizierung als erster „Green Amusement Park“ der Welt vor zehn Jahren durch den TÜV-Süd ist ein eindrucksvoller Beleg für eine erfolgreich angelegte Nachhaltigkeitsstrategie. Und die Kriterien für die Zertifizierung geben auch eine gute Orientierung: Einsatz regenerativer Energie, Grünanlagen und modernste Technik im Hintergrund.

Wie bewerten Sie die Initiativen im Europa-Park, etwa sich durch eine riesige Photovoltaik-Anlage ab 2024 autark zu machen oder auch durch andere hochmoderne Energie-Erzeugungsmaßnahmen wie Wärmepumpen, Wasserkraft und Blockheizkraftwerke?
Hedorfer: Wir haben gerade in der Energiekrise des letzten Jahres gesehen, wie verletzlich unser Alltagssystem an vielen Stellen ist. Die zügige Transformation weg von fossilen Brennstoffen hin zu regenerativen Energiequellen ist wichtig, wenn wir dem Klimawandel begegnen wollen. Das zahlt auf die bereits genannten SDG-Ziele ein und ist ein ganz konkreter Beitrag zur Umsetzung der Nationalen Tourismusstrategie.
Profundes Ingenieurwissen und Innovationsfreude gehören zur DNA des Europa-Park. Insofern finde ich es hervorragend, dass der Europa-Park hier als Pionier und Impulsgeber auftritt.

Wie wichtig ist es, in der Tourismusbranche auf lokale Produkte und regionale Produzenten zu setzen, um den CO2-Fußabdruck zu verringern?
Hedorfer: Das ist ein Schlüsselelement für einen zukunftsweisenden Tourismus. Regionale Produkte und Produzenten können schon aufgrund der räumlichen Nähe eine günstige Klimabilanz darstellen. Dazu kommt: Regionale und saisonale Produkte, Traditionen und Erlebnisse machen die Authentizität und die Unverwechselbarkeit eines Reiseziels aus. Gerade in Zeiten eines sich verstärkenden Wettbewerbs der Destinationen lässt sich so ein attraktives Markenprofil schärfen. Damit wird ein weiteres Mal der Zusammenhang zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung deutlich.