Freiräume für kleine und mittlere Betriebe

Bundesfinanzminister Christian Lindner für report über die Rolle und Zukunft des Handwerks, steuerliche Entlastungen, Zahlungsmoral der öffentlichen Hand und seine Kindheit in der Backstube

Mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) über das Handwerk zu sprechen, ist ein Heimspiel für den obersten deutschen Liberalen. Lindner: „Ich selbst bin dem Handwerk seit früher Kindheit verbunden. Meine ersten Lebensjahre habe ich quasi in der Backstube verbracht – denn sowohl mein Großvater als auch mein Urgroßvater waren Bäcker.“ Das ist überzeugend. Der Mann weiß, wovon er spricht und wer ihn maßgeblich in seine heutige position gebracht hat: der Mittelstand, Familienunternehmen, Handwerksfamilien.

Christian Lindner: Durch meine Betriebsbesuche in ganz Deutschland kann ich mich immer wieder überzeugen: Im deutschen Handwerk treffen sich in einmaliger Weise Tradition und Innovation. Das Handwerk ist nicht nur national ein Wachstumstreiber, sondern auch international ein Wettbewerbsfaktor und Vorreiter für technologischen Fortschritt. In einer wirtschaftlich herausfordernden Zeit, in der tiefgreifende Transformationen anstehen, muss dieser Vorteil immer wieder neu erarbeitet werden. Ich habe keinerlei Zweifel, dass das Know-how dafür im deutschen Handwerk vorhanden ist.

Und was kann die Regierung beitragen?
Lindner: Die Politik muss nun Freiräume schaffen, damit kleine und mittlere Betriebe Luft für Investitionen und Innovationen bekommen. Das haben sich die Freien Demokraten auf mehreren ebenen vorgenommen: Mit der Abschaffung der EEG-Umlage und der temporären Reduzierung der Energiesteuer für Kraftstoffe werden Betriebskosten gesenkt.

Was sagt der Minister zur Frage der steuerlichen Belastung gerade für mittelständische Betriebe?
Lindner: Mit der Verlängerung der degressiven Afa erleichtern wir Investitionen in neue Technologien – ein Superabschreibungsprogramm für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung wird folgen, wenn es im ökonomischen Umfeld den maximalen Effekt erzielen kann. Steuererhöhungen sind mit mir als Finanzminister ausgeschlossen.

Wie schätzen Sie das Handwerk für den Erfolg der deutschen Wirtschaft ein?
Lindner: Das Handwerk ist eine zentrale Säule des Mittelstands und Ausbilder Nummer 1. Es kann auf eine stolze Tradition in Deutschland blicken. Wir Freie Demokraten wollen die rund eine Million Handwerksbetriebe in Zeiten des Fachkräftemangels, der Digitalisierung und des Klimawandels fit für die Zukunft machen. Wir wollen Fesseln lösen und die Kräfte des Handwerks freisetzen – für eine höhere Attraktivität, eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit und Innovation.

Wie kann sich das Handwerk besser entwickeln?
Lindner: Wir Freie Demokraten fordern eine exzellenzinitiative Berufliche Bildung, um die Attraktivität und Innovationskraft der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu stärken. Um sich den Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt zu stellen, braucht das System der beruflichen Bildung ein Update. Ein bundesweiter Exzellenzwettbewerb soll die besten Ideen zur Zukunft der beruflichen Bildung mit hochrangigen Auszeichnungen und mehrjährigen Zuschüssen fördern. Ein Zentrum für digitale Berufsbildung soll berufsbildende Schulen und ausbildende Betriebe in der Konzeption und Umsetzung digitaler Ausbildungsangebote unterstützen. Schulen der beruflichen Bildung wollen wir um kreative „MakerSpaces” und offene Werkstätten („FabLabs”) erweitern.

Welche Bedeutung haben aus Ihrer Sicht Familienunternehmen?
Lindner: Wir wollen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen von der Industrie über das Handwerk bis zum Handel auch in ländlichen Regionen Perspektiven schaffen. Voraussetzungen hierfür sind eine flächendeckend zukunftstaugliche digitale Infrastruktur, leistungsfähige Verkehrswege und ein starkes duales Bildungssystem. Abwanderung, Überalterung und Fachkräftemangel setzen dem Mittelstand besonders hart zu. Deshalb brauchen wir moderne
Ansätze, insbesondere auch in den ländlichen Regionen. Wir wollen unseren Mittelstand und unsere Hidden Champions stärken! Damit die Unternehmen nicht durch Erbgänge oder eine Substanzbesteuerung gefährdet werden, lehnen wir eine Verschärfung der Erbschaftsteuer oder die Wiedereinführung der Vermögensteuer ab.

Wie lässt sich die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand verbessern?
Lindner: Wir wollen eine Zahlungsmoraloffensive der öffentlichen Hand. Zugleich fordern wir, die Vergabeschwellenwerte für 2020 und 2021 zu erhöhen, damit Investitionen schneller umgesetzt werden. Investitionen der öffentlichen Hand haben in Krisenzeiten einen wichtigen Stabilisierungseffekt. Offene Rechnungen können Liquidität und Arbeitsplätze besonders im Mittelstand massiv gefährden. Das wollen wir verhindern.

Horst Koppelstätter