Goldener Boden für Kunst und Design

Das Pforzheimer Schmuckmuseum lässt auch den Zeitgeist funkeln

Die Frage nach dem größten Schmuckkasten der Welt dürfte selbst ausgebuffte Rate-Show-Kandidaten erheblich ins Grübeln bringen. Tokio? New York? Riad? Weit gefehlt. Im Pforzheimer Reuchlinhaus existiert das weltweit einzige Museum für Schmuck – und nichts als Schmuck, nämlich 2.000 Kostbarkeiten aus 5.000 Jahren, von antikem Halsschmuck bis zu futuristischem Material-Mix, gestaltet von Goldschmieden, die ihr Handwerk untrennbar mit Kunst, manchmal auch mit (Macht-)Politik und zeitgenössischem Geschmack, verbanden. In den Depots des Museums warten sogar noch weitaus mehr Exponate auf ihre Auftritte im Rahmen von Sonderausstellungen im eigenen Haus oder als Leihgaben bei internationalen Ausstellungen, denn das Museum ist weltweit vernetzt. „In Tokio kennen uns wahrscheinlich mehr Menschen als in Pforzheim“, meint Hausherrin Cornelie Holzach – obwohl der denkmalgeschützte Bau eigentlich das Aushängeschild der „Goldstadt“ an der Enz ist.

Johannes Reuchlin als „Pate“
Dass diesem Handwerk mit seinem buchstäblich „goldenen“ Boden ein mittlerweile sehr lebendiges Denkmal gesetzt wurde, ist vor allem Fritz Falk zu verdanken, der das Haus 30 Jahre lang bis zu seinem Ausscheiden 2003 mit leidenschaftlichem Engagement führte. Den Grundstein legten zwei eher bescheidene Sammlungen historischer Schmuckstücke des Kunst- und Kunstgewerbevereins und der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule, die 1938 zur größten öffentlichen Schmucksammlung zusammengelegt wurden. Als 1939 das städtische Museum eröffnet wurde, konnte sich das Publikum nur kurz an den Pretiosen erfreuen. Die Räume in der Luisenstraße fielen 1945 dem Bombenhagel zum Opfer – glücklicherweise war das Haus bereits 1942 geschlossen worden, seine Schätze überstanden im Schwarzwald den Krieg.

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„Zunächst galt es in der zerstörten Stadt Wohnraum zu schaffen, bevor an ein neues Museum gedacht werden konnte“, berichtet Cornelie Holzach. Planungen gab es zwar schon relativ früh, doch erst 1961 konnte das neue Kulturzentrum eingeweiht werden. „Pate“ stand der 1456 in Pforzheim geborene Humanist Johannes Reuchlin, dessen 500. Todestag in diesem Jahr die Stadt – und natürlich auch das Museum – mit vielen Veranstaltungen begeht.

Schon der Museumsbau gilt mit seiner hellen, schnörkellosen Gestaltung durch Manfred Lehmbruck als architektonisches Juwel. Zunächst waren hier neben dem Schmuckmuseum auch der Kunstverein, das Heimatmuseum, die Stadtbibliothek und das Pforzheimer Archiv untergebracht, seit 2006 belegt nur noch der Kunstverein einige Räume. Den gewonnenen Platz nutzen die Museumsmacher für immer anspruchsvollere Ausstellungen. Besonders gern erinnert sich Cornelie Holzach an das Buch- und Ausstellungsprojekt „Kunst treibt Blüten“ in Zusammenarbeit mit der Hochschule Pforzheim, vielen Künstlern und Sponsoren im Jahr 2007, das dem floralen Element quer durch die Kulturen und Epochen huldigte. Besonders hochkarätig war auch die erstmals komplett in Europa gezeigte Sammlung aus dem Besitz von Prinz und Prinzessin Aga Khan 2018/19. 

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Die Dauerausstellung des Schmuckmuseums Pforzheim umfasst Exponate aus 5.000 Jahren – von der Antike bis zur Gegenwart.

Unter dem Motto „Ost trifft West“ wurden erlesene Goldschmiedearbeiten unter anderem aus Pariser Werkstätten mit orientalischen und asiatischen Motiven gezeigt – wahrhaft brillante Luxuserzeugnisse. „Wir weinen jeder Ausstellung nach, die uns verlässt“, gesteht Holzach, die sich nach den coronabedingten Ausfällen umso mehr über die aktuelle Ausstellung zum Reuchlinjahr freut: „Schöngeschrieben – Schmuck, Zeichen- und Druckkunst“ (bis 22. November) verbindet zeitgenössische Kalligraphie mit dem Thema „Sprache und Schriftzeichen im Schmuck“, ergänzt durch „schmucke“ Handschriften und kostbare Drucke aus dem Umfeld Reuchlins. Die Goldschmiedeschule steuert die Ausstellung „Chiffre – die geheime Sprache des Schmucks“ bei. Nicht den Schmuck als schmückendes Beiwerk, sondern als Bestandteil des jeweiligen Lebensgefühls einer Epoche unter Ausnutzung der jeweils aktuellen Handwerkstechniken und Materialien zu zeigen, ist eine der tragenden Säulen des Museumskonzepts und wohl auch der Grund, warum in „normalen“ Jahren rund 35.000 Besucher registriert werden.

Den Bezug zu den traditionellen Fertigungstechniken stellt das Projekt „Pforzheim revisited“ der Hochschule Pforzheim her. Seit zwölf Jahren setzen Studenten des Studiengangs „Schmuck und Objekte“ Techniken wie Hohlprägen, Pressen und Guillochieren ein, um zeitgenössischen Schmuck zu kreieren und manufakturelle Schmuckgestaltung neu zu entdecken. Gezeigt werden vom 25. November bis zum 22. Januar 2023 Arbeiten der Stipendiaten der vergangenen zwölf Jahre.

Lebendige Begegnungen
Einblicke in die handwerkliche und industrielle Schmuck- und Uhrenherstellung bietet das Technikmuseum in einer ehemaligen berühmten Fabrik. Es untersteht ebenfalls Cornelie Holzach. Seit 2017 können hier technische Abläufe vom Entwurf bis zur Produktion verfolgt und alte Maschinen in Aktion erlebt werden. Für beide Häuser gibt es ein Kombiticket, sodass beispielweise der eher technisch interessierte Ehemann ebenso auf seine Kosten kommt wie seine auf Juwelen erpichte Ehefrau. Laien können sich von Fachleuten in die Geheimnisse der Goldschmiedekunst einführen lassen. Eine Führung ganz anderer Art bietet dagegen „Loui“ im Schmuckmuseum an: Der kleine, von einem Pforzheimer Start-up-Unternehmen entwickelte Roboter nimmt auf die persönlichen Wünsche der Besucher Rücksicht und hat vor allem für Kinder knifflige Rätsel parat.

Wer sich doch lieber einem Experten aus Fleisch und Blut anvertraut, sollte sich sonntags auf den Weg „Kreuz und quer durch die Sammlungen“ machen. Themen wie Farbe, Material, Ornamentik, Handwerk oder Anlassschmuck legen den Fokus auf die Gemeinsamkeiten von unterschiedlichen Schmuckerzeugnissen – sei es nun einem goldenen Ohrring aus dem antiken Troja, afrikanischem Schmuck aus der Pforzheimer Sammlung Herion oder einem zarten Jugendstilexponat. Dabei geht es auch immer um die Menschen, für die dieser Schmuck erarbeitet wurde, denn: „Schmuck gehört getragen“, betont Cornelie Holzach.

Irene Schröder

schmuckmuseum.de

 

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Seit 2005 leitet Cornelie Holzach das Schmuckmuseum Pforzheim.