Weg zum Glück

Erfolgreicher Quereinstieg einer Wirtschaftsingenieurin ins Handwerk

Nina Postweiler war in der Schule immer sehr gut. Ein Zahlenmensch, wie sie selbst sagt. „Da dachte ich, dann muss ich ja auch studieren.“ Das tat sie auch – Wirtschaftsingenieurswesen in Kaiserslautern. Das Studium macht der gebürtigen Karlsruherin zwar Spaß, aber schnell merkt sie, dass etwas fehlt. „Der Inhalt, der Sinn.“

Schon während des Studiums steht für sie fest, dass sie kein Typ für große Wirtschaftsunternehmen ist. Viel mehr interessiert sie sich für kleine, nachhaltig arbeitende Unternehmen. So macht sie während des Studiums ein Praktikum in Ecuador in einer Schokoladenmanufaktur, die auf Fairness und Nachhaltigkeit setzt.

Hier hilft die junge Frau unter anderem auch bei der Kakaobohnenernte und Schokoladenherstellung mit und merkt schnell, wie gut sich der Wechsel von der Theorie zum Tun anfühlt. Dennoch kehrt die Akademikerin in Deutschland wieder in den erlernten Beruf zurück. Immer mit diesem leisen Zweifel, dass es nicht das Richtige ist. „Ich merkte, ich will etwas erschaffen. Aber das bot mir mein verkopfter Beruf nicht.“

Wendepunkt-Erlebnis in der Werkstatt
Zum Ausgleich nimmt sie Klarinettenunterricht. „Klarinette habe ich schon in meiner Kindheit gerne gespielt“, erzählt sie. Als das Instrument eine Reparatur braucht, sucht Nina Postweiler einen Klarinettenbauer auf. Hier in der Werkstatt von Frank Bernhard geschieht der entscheidende Moment: „Ich habe mich in diesem Raum unter dem Dach sofort wohl gefühlt. Der Geruch, die Atmosphäre – genau meine Welt!“ Spontan fragt sie nach einem Praktikum und bekommt es. Die Woche arbeitet sie weiter als Wirtschaftsingenieurin, aber mittwochnachmittags ist sie ab jetzt Klarinettenbau-Praktikantin. Immer mehr reift der Gedanke in ihr: Das ist mein Beruf!

Mit 34 Jahren beginnt Nina Postweiler schließlich eine Ausbildung zur Klarinettenbauerin bei der Firma Kronthaler in Karlsruhe. „Für mich war das ein guter Zeitpunkt, da ich nun, anders als damals als Abiturientin, genau wusste, was ich wollte.“ Und auch das Unternehmen profitiert von einer erfahrenen Mitarbeiterin. „Ich brachte eben schon Berufserfahrung mit. Und da ich nicht mehr zur Berufsschule gehen musste, konnte ich gleich sowohl in der Werkstatt arbeiten als auch im Büro organisatorische Dinge übernehmen.“



Im Juli 2022 hat Nina Postweiler ihre Ausbildung abgeschlossen. Wie geht es für die Gesellin weiter? Im Frühsommer war sie auf einer Mini-Walz von einer Ortschaft in der Nähe von Prag nach Wien mit dem Ziel, möglichst viele Instrumentenmacher und ihre Arbeitsweisen kennenzulernen. „Das Wissen in unserem Gewerk ist so verstreut und es ist mir ein Anliegen, es zusammenzutragen und auf diese Weise vor dem Vergessen zu bewahren.“ Jetzt arbeitet sie weiterhin bei den Kronthalers und möchte noch drei bis vier Jahre Erfahrung sammeln, bis sie die Ausbildung zur Meisterin in Angriff nehmen will.

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Arbeit mit dem Herzen
Wer mit so viel Schwung an die Sache herangeht, für den war der Berufswechsel die richtige Entscheidung. Was hat der Schritt von der Ingenieurin zur Handwerkerin bei ihr bewirkt? „Eine große Zufriedenheit!“, kommt sofort als Antwort. Sie sei immer so ungeduldig gewesen, erzählt Nina Postweiler. Das Handwerk habe sie geerdet. „Hier braucht man Geduld, muss ausprobieren. Gerade heute habe ich ein Instrument zu einem Kunden gebracht, der sich sehr über das Ergebnis gefreut hat. Als Wirtschaftsingenieurin habe ich meinen Beruf mit dem Feierabend Beruf sein lassen – jetzt ist es mir persönlich wichtig, dass alles gut wird. Ich arbeite nicht mehr nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen.“

Ulrike Reitz