Goldener Boden wird aufpoliert

Traditionelle Handwerksberufe mit Zukunft: Goldschmiede und Uhrmacher lernen in Pforzheim / Älteste Berufsschule der Welt

Da kommen weder High-Tech-Maschinen noch Künstliche Intelligenz mit: Wenn in wochenlanger Kleinstarbeit ein extravagantes Schmuckstück oder eine nach persönlichen Vorgaben gefertigte Uhr entstehen, sind nicht nur exzellentes Material und Werkzeug, sondern vor allem handwerkliches Können und Kreativität, gefragt. „Ausbildung mit Hand und Herz“ lautet nicht von ungefähr das Motto der Pforzheimer „Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule“, die weltweit gleich mehrere Alleinstellungsmerkmale für sich beanspruchen kann.

Ihre Geschichte beginnt vor mehr als 250 Jahren. Als Markgraf mit unternehmerischem Weitblick setzte damals Karl Friedrich von Baden (1728-1811) auf wirtschaftliche Konzentration und Diversität:

In Ettlingen wurden Spinnereien eingerichtet, in Haslach Silbererz abgebaut, in Karlsruhe die Verwaltung konzentriert – und das kleine Pforzheim mit seinen damals rund 4.000 Einwohnern erhielt 1768 die wohl erste Berufsschule der Welt. Die Idee stammte von dem französischen Uhrenfabrikanten Francois Autran und seinen Partnern Amédé Christin und Jean Viala aus der Schweiz, denen der Markgraf das „Privileg“ der Schulgründung erteilte. Nach einigen Verhandlungen beteiligte er sich auch an der Finanzierung. In einem ehemaligen Waisenhaus wurde die „Sonntagsschule“ eröffnet, in der vor allem Bauernjungen in die Grundlagen der Goldschmiede- und Uhrenfertigung eingeführt wurden. Keine leichte Aufgabe für den ersten Lehrer, Andreas Koessler, ein Miniaturmaler, und seine eher an grobe Arbeiten gewöhnten Schüler.

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Wie anno dazumal
Der Zeichenstift hat seine Bedeutung als Werkzeug bis in die heutige Ausbildung bewahrt: Während im Laufe der Jahrhunderte Schulformen, Unterrichtsmethoden, Standorte und Ausrichtung auf den Bedarf der Schmuckindustrie parallel zu den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen angepasst wurden, ist bis heute exaktes und kreatives Zeichnen eine wichtige Voraussetzung für den beruflichen Erfolg der jungen Uhrmacher und Goldschmiede geblieben. „Es ist außerdem ein hervorragendes Verkaufselement im Gespräch mit dem Kunden, wenn vor seinen Augen die persönlichen Wünsche sichtbar werden“, weiß Michael Kiefer, seit 2015 Chef der Schule an der Sankt-Georgen-Steige.

Zum ersten Mal leitet mit dem 49-jährigen Betriebswirt ein „Branchenfremder“ die Schule – auch ein Zeichen der Neuausrichtung in Zeiten der ständigen Veränderung der Märkte, die auch an dem einst berühmten „goldenen Boden“ der Schmuckindustrie nicht vorbeigehen. Die Pflege internationaler Kontakte und die Zusammenarbeit mit den Pforzheimer Unternehmen gehört deshalb zu den Aufgaben des Schulleiters, um mit den derzeit 54 Lehrkräften die rund 500 Auszubildenden pro Jahr aus dem In- und Ausland optimal auf ihr Berufsleben vorbereiten zu können.

Die Voraussetzungen sind dank ihrer weltweit wohl einzigartigen Bandbreite an Sondertechniken mehr als gut:

Der Nachwuchs in einem der ältesten Handwerksberufe erlernt während der zweijährigen Vollzeitausbildung in sämtlichen Goldschmiedetechniken in traditioneller und moderner Fertigung auch Emaillieren, Silberschmieden, Ziselieren, Gravieren, Schleifen und Fassen von Edelsteinen. Dazu kommt fachtheoretischer und gestalterischer Unterricht. Nach zwei Jahren wird der theoretische Teil der Gesellenprüfung abgelegt, es folgen eineinhalb Jahre in der Betriebspraxis, dann wird auch das Gesellenstück gefertigt. Apropos ältestes Handwerk: Im Pforzheimer Schmuckmuseum steht Kiefer immer wieder fasziniert vor den Vitrinen mit Schmuck aus der Etruskerzeit. Die wahrscheinlich um 800 vor Christus gefertigten Stücke lassen sich in ihrer Raffinesse selbst heute mit modernsten Methoden nicht originalgetreu nacharbeiten.

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Die Ausbildung der Uhrmacher verläuft etwas anders: Sie absolvieren drei komplette Schuljahre, die sich ebenfalls in Theorie und Praxis aufteilen. Die handwerklichen Fächer bestehen aus Wartung, Reparatur und Restaurierung mechanischer Uhren, Anfertigung von Uhrenteilen und Werkzeugen, computergestützter Rekonstruktion von Einzelteilen sowie Quarz- und Funkuhrtechnologie. Der theoretische Teil umfasst in der engen Vernetzung zur Praxis Werkstoff- und Fertigungstechnik, Uhrenkunde, technische Mathematik und Allgemeinbildung.

Nachfrage nach individuellem Schmuck steigt
Um den künftigen Arbeitsplatz brauchen sich die jungen Leute eigentlich keine Sorgen zu machen: Die Annahme, Goldschmied sei, angesichts von Billigkonkurrenz vor allem aus Asien und geändertem Umgang mit wertvollem Schmuck, ein aussterbender Beruf, weist Kiefer energisch zurück: „Viele Meister sind in den Ruhestand gegangen, viele Betriebe brauchen daher gut ausgebildeten Nachwuchs. Auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und der Werterhaltung steigt die Nachfrage nach individuellem Schmuck wieder deutlich, etwa wenn aus Omas Silberbesteck ein toller Ring wird.“ Die Goldschmiede gehören zudem zu den wenigen Profiteuren der Corona-Pandemie: Nachdem der Materialnachschub aus dem Ausland fast zum Erliegen gekommen war, besannen sich viele Firmen wieder auf das Pforzheimer Potenzial, darunter internationale Marken wie Chopard und Dior. Ähnliches gilt für die Uhrenbranche.

 


Seit mehr als 30 Jahren besteht an der „Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule“ ebenfalls das Berufskolleg für Design, Schmuck und Gerät. Die dreijährige Ausbildung führt zum „Staatlich geprüften Designer“ im Bereich Schmuck und Gerät. Vorrangiges Ausbildungsziel ist es, Gestaltung und Technik im Schmuck miteinander zu verbinden. Die Absolventen der umfassenden gestalterischen, technischen und theoretischen Ausbildung im Berufskolleg arbeiten anschließend in den unterschiedlichen Bereichen der Schmuckherstellung.

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Am Puls der Zeit bleiben alle künftigen Gesellen und Meister während ihrer Zeit an der „Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule“ auch durch regelmäßige Messebesuche, Betriebsführungen und Museumsbesichtigungen. Wie kreativ sie auf hohem Niveau mit dem Lehrstoff umgehen, beweisen unter anderem die zahlreichen Auszeichnungen bei Wettbewerben. Fazit: Glänzende Aussichten für ein Handwerk mit frisch poliertem goldenem Boden.

Irene Schröder 

Information zum Titelbild oben: 
Unter anderem Geborgenheit, aber auch Angst, symbolisieren die Ringe von Paula Flock, Absolventin des Berufskollegs für Design, Schmuck und Gerät.