Influencer machen Lust aufs Handwerk

Arbeitshose statt Designerkleid – und dennoch schauen Tausende zu: Wie Handwerker auf Instagram, TikTok und Co für ihre Arbeit trommeln

Eisenbiegen war mal absolute Männersache. Genauso Steine übereinander wuchten und mit Mörtel zu Mauern hochziehen. Heutzutage sehen solche Tätigkeiten auf dem Bau zumindest bei Julia Schäfer ganz einfach aus. Wenn die 29-jährige Maurermeisterin aus Kraichtal mit einem Radlader Erde bewegt, einen Kabelkanal verlegt oder gemäß dem Motto ihres früheren Lehrmeisters – „gescheit anlegen ist des Maurers halbe Miete“ – die erste Reihe einer Mauer in den Boden pflanzt, sitzt trotz des staubigen Berufsalltags im elterlichen Familienbetrieb nicht nur die Arbeitskleidung perfekt. Vielmehr schauen abertausende Menschen dem handwerklichen Tun der jungen Frau zu. Denn Julia Schäfer gehört zu den erfolgreichsten Influencern für das Handwerk in Deutschland.

 

Seit ein paar Jahren filmt sie das Leben auf der Baustelle und teilt die Filme über Social-Media-Kanäle. Als „tschulique“ hat sie mittlerweile auf Instagram 606.000 und auf TikTok sogar 925.000 Follower. Schäfer möchte nach eigenen Angaben das Handwerk insbesondere für junge Frauen attraktiver machen. „Das Handwerk hat mich glücklich und selbstbewusst gemacht“, sagt die Maurermeisterin, die auch schon an Misswahlen teilgenommen hat. Ihre Entscheidung gegen ein Studium hat sie nie bereut.

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Kunden binden – und neue gewinnen
Es wird geschätzt, dass bereits mehr als 100 Influencer aus dem deutschen Handwerk auch auf Plattformen wie Youtube aktiv sind. Meisterinnen und Meister geben Tipps rund ums Malern, Renovieren und Lackieren oder zeigen den Umgang mit umweltschonenden Materialien. Auch Gipser, Dachdeckerinnen, Tischlermeister und Anlagenmechanikerinnen halten regelmäßig ihre Arbeit in kurzen Filmen fest und lassen Laien mit vielen praktischen Ratschlägen daran teilnehmen. Was sie eint, ist der Spaß an neuen Medien, Abwechslung und natürlich am Handwerk. Wie sehr das ankommt, zeigt sich schon daran, dass unter dem Hashtag „Handwerk“ allein auf Instagram weit über zwei Millionen Beiträge zu finden sind.

Die Influencer-Aktivitäten können gleich mehrere Vorteile mit sich bringen: Mit ihren Bildern und Videos auf den Kanälen binden die Influencer aus dem Handwerk Kunden und Mitarbeiter – und gewinnen neue. Zudem werden sie zu Botschaftern für ihre Gewerke und das gesamte Handwerk. Bei großer Reichweite ergibt sich sogar das Potenzial auf Kooperationen mit Werbepartnern und somit zusätzliches Einkommen. Wer ebenfalls Follower an seinem Arbeitsalltag teilhaben lassen will, sollte aber einiges beachten. Zum Beispiel: Wer ist die Zielgruppe und was zeichnet die jeweilige Plattform aus? Tik-Tok-Filme sollten beispielsweise kürzer sein als Videos für Youtube und in erster Linie unterhaltsam. Wenn andere Personen zu sehen sind, ist es ratsam, schriftliche Einverständniserklärungen vorliegen zu haben. Besonders gut kommen bei vielen Usern Vorher-Nachher-Videos an, so genannte „Transitions“.

Die ganze Vielfalt des Handwerks
Da vor allem junge Leute auf Social-Media-Plattformen unterwegs sind, ist es nicht verwunderlich, dass gerade auch Nachwuchshandwerkerinnen und  
-handwerker beispielsweise TikTok nutzen, um für sich zu werben. 

So verfolgen schon mehr als 13.000 Follower auf dem Instagram-Kanal „zunft_engel“ Videos der angehenden Zimmerin im dritten Lehrjahr Ajla Šehic ́aus Karlsruhe. „Mein Ziel ist es, nicht nur Vorurteilen gegenüber Frauen in Handwerksberufen entgegenzutreten, sondern auch wieder mehr Nachwuchs insgesamt für das Handwerk zu begeistern“, sagt die junge Frau. „Auf den sozialen Netzwerken kann ich präsentieren, was mein Beruf ist, was ich täglich dazulerne und was für coole Sachen man eigentlich macht. Ich bekomme sehr viel Lob, aber auch die Schattenseiten von Social Media bekomme ich zu spüren. Es gibt Leute, die irgendwas suchen, um meine Tätigkeiten anzuzweifeln, ob durch mein pinkes Oberteil oder wegen meiner Nägel. Sowohl durch die Ausbildung als auch durch Social Media bin ich selbstsicherer geworden. Wenn man merkt, dass man sein Handwerk beherrscht, macht das einen stark.“

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Auch das Friseur-Atelier „Hairart“ aus Waghäusel hat unter „hairart.lisa“ auf Instagram bereits über 9.000 Follower und schon 2.300 Beiträge zu ihrer Friseurpraxis geteilt, darunter einen Styling-Kurs für Mädchen in Zusammenarbeit mit der Drogeriemarktkette dm. Beide Beispiele zeigen, dass selbst so genannte Microinfluencer mit einer Follower-Anzahl von einigen tausend eine Wirkung erzielen. Diesen Status hat Luis Bauer längst hinter sich gelassen. Auf TikTok überschreitet der 17-Jährige aus Fürth die Marke von einer Million Followern deutlich – mit Videos, in denen er über Leichen, Tod und Trauer spricht. Der Lehrling im Bestattungsunternehmen seines Vaters hat damit wohl auch dazu beigetragen, dass es gegenwärtig im Bestatter-Handwerk eine Zunahme an Bewerbern gibt.

Christoph Ertz 

Die Handwerkskammer Karlsruhe ist ebenfalls in den sozialen Medien auf Facebook und Instagram vertreten. Beratung und Unterstützung beim Thema Social Media bietet die Digitalisierungsberaterin der Handwerkskammer, Diana Friedl: Telefon 0721 1600-142 und E-Mail friedl@hwk-karlsruhe.de