Handwerk hält das Land am Laufen

Gespräch mit der baden-württembergischen Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Theresa Schopper, über frühe Informationen für Schüler zur Berufswahl, die Bedeutung des Handwerks und ihre persönliche Beziehung zu Handwerk und Kunst

Wie kann es gelingen, noch mehr Schüler beim Übergang in das Berufsleben für einen Handwerksberuf zu gewinnen?
Theresa Schopper: An erster Stelle steht für uns, die Schülerinnen und Schüler bei ihrem Übergang ins Berufsleben optimal zu unterstützen. Deshalb ist es uns besonders wichtig, die Jugendlichen bereits in der Schule mit der Vielfalt der Berufswelt vertraut zu machen. Dazu gehört selbstverständlich auch das Handwerk. Wir fangen früh damit an, die Schülerinnen und Schüler mit dem Thema Berufsorientierung in Berührung zu bringen – schon in Klasse 5. Die Maßnahmen sollen ihnen helfen, sich schon früh Gedanken über ihre berufliche Zukunft zu machen. Zudem wird ihnen so die Möglichkeit gegeben, sich auch dementsprechend ausprobieren zu können. Ein Beispiel dafür ist die Initiative „BO durchstarten!“. Dabei wird die Berufsorientierung verstärkt in den Fokus gerückt und es werden verschiedene Angebote, wie auch Unterstützungshinweise für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und Betriebe, zur Verfügung gestellt. Beispielsweise wird über regionale Veranstaltungen zum Thema informiert und Unterstützung bei der Suche nach einem Praktikumsplatz gegeben. All das gilt genauso für das Handwerk. Zum Beispiel haben die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der „Praktikumswoche BW“ die Chance, sich an fünf Tagen in fünf verschiedenen Berufen in fünf verschiedenen Unternehmen auszuprobieren. Neben der Agentur für Arbeit kooperieren wir hier unter anderem mit dem „Handwerk BW“. Eine frühe und umfassende Information ist ein wichtiger Baustein, um den richtigen Beruf zu finden.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht das Handwerk für die Wirtschaftskraft in Baden-Württemberg?
Schopper: Das Handwerk hält das Land am Laufen. Und es ist eine der treibenden Wirtschaftskräfte in Baden-Württemberg. Deshalb ist es für uns auch von so großer Bedeutung, das Interesse der Schülerinnen und Schüler für einen Handwerksberuf zu wecken. Es geht in die falsche Richtung, wenn, wie in diesem Jahr wieder, die Zahl der Ausbildungsverträge im Handwerk rückgängig ist. Durch unsere zahlreichen unterstützenden Maßnahmen wollen wir den Jugendlichen zeigen, wie erfüllend eine Arbeit im Handwerk sein kann.

Müsste nicht schon in der Schule das Interesse am Handwerk stärker geweckt werden?
Schopper: Was wir schon alles tun, habe ich Ihnen ja gesagt. Berufsorientierung an Schulen ist tatsächlich eine sehr wichtige Aufgabe, denn es ist ja nicht so leicht, den passenden Beruf für sich zu finden. Schließlich reden wir hier über eine entscheidende Wegmarke im Leben. Da wir eng mit unseren Kooperationspartnern aus dem Handwerk zusammenarbeiten – „Handwerk BW“ oder dem Baden-Württembergischen Handwerkstag – bin ich zuversichtlich, dass wir da den richtigen Ton für die Schülerinnen und Schüler treffen, auch beim Handwerk. Durch Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und den Betrieben oder auch durch unser Programm „Schulewirtschaft BW“ wollen wir die Unternehmen außerdem in die Schulen bringen und den Schülerinnen und Schülern Chancen bieten, sich auszuprobieren und sich persönlich zu entwickeln. Ich finde, dass es allerhöchste Zeit ist, die Karrierechancen im Handwerk stärker zu thematisieren. Viele Schülerinnen und Schüler wissen gar nicht, wie viel Geld sich da verdienen lässt! Der Bedarf ist riesig, gute Handwerker können sich heute vor Nachfragen kaum retten. Und auch im Handwerk gibt es spannende Aufstiegsmöglichkeiten, von denen viele sich gar kein Bild machen. Aber diese Fakten muss man mit Elan an die Zielgruppe herantragen. Schließlich werben auch alle anderen Branchen um junge Arbeitskräfte.

Die dringend erforderliche Digitalisierung hängt ja auch mit Weiter- bildung zusammen. Wie kann Ihr Ressort unterstützen?
Schopper: Weiterbildung ist ein Top-Thema, wenn es darum geht, in einer älter werdenden Gesellschaft die Herausforderungen durch den technologischen Wandel und die notwendige ökologische Transformation zu meistern. Mit der Weiterbildungsoffensive „weiter.mit.bildung@bw“ investieren wir in den Jahren 2021 bis 2024 rund 40 Millionen Euro, um Baden-Württemberg zukunftssicher aufzustellen. Dabei geht es immer auch darum, den Menschen neue Chancen und Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und im Berufsleben zu eröffnen. Die Digitalisierung spielt dabei natürlich eine große Rolle. Auch in der Alphabetisierung und Grundbildung, bei der wir Menschen unterstützen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, setzen wir verstärkt auf digitale Tools, die das Lernen erleichtern. Textverständnis ist nunmal die Grundvoraussetzung, um zur Fachkraft aufzusteigen.


Haben Sie einen persönlichen Bezug zum Handwerk?
Schopper: Mein Vater war Kunstschlosser, aber nach dem Krieg war diese Art Handwerk nicht ausreichend gefragt. Ein Jammer, wirklich. Er wurde dann Busfahrer. Aber die Zeiten sind heute glücklicherweise wieder anders. Heute ist Selbstverwirklichung im Handwerk wieder möglich. So soll es auch sein. Der Übergang zwischen Handwerk und Kunst ist ja an vielen Stellen fließend. Ich hoffe, diese Erkenntnis dringt auch bei den Jugendlichen durch. Davon würden wir alle profitieren, in ganz Deutschland.

Horst Koppelstätter 

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