Barockes Juwel

Die Schlosskirche in Rastatt ist ein kostbares und einzigartiges Vermächtnis einer bemerkenswerten Frau: der badischen Markgräfin Sibylla Augusta / Bis heute beeindruckt die Handwerkskunst auf Schritt und Tritt

Von außen wirkt sie unscheinbar – ein recht nüchterner Anbau an das sonst so imposante Rastatter Schloss, das ab 1700 als erste Barockresidenz am Oberrhein nach dem Vorbild Versailles errichtet worden war. Auf ihren Zweck deutet allenfalls ein Kreuz über dem Eingang an einer belebten Straße entlang der Altstadt hin. Nicht einmal ein hoch aufstrebender Glockenturm ist zu sehen. Doch wer in das Innere der Rastatter Schlosskirche „Zum Heilige Kreuz“ gelangt, der gerät sogleich in ihren Bann.
Von der Decke strahlt ein glänzender Bilderreigen. Er ist der Entdeckung des Heiligen Kreuzes durch Helena, der Mutter des römischen Kaisers Konstantin, gewidmet. Glänzender Stuckmarmor und fein bestickte Textilien betören den Blick. Einzelne Preziosen wie Reliquienschreine entführen in eine spirituelle Zeit, die heute von den meisten kaum noch nachzuvollziehen ist. 

Über dem Altar scheint es durch eine stark verzierte runde Lücke in der Decke zu leuchten, als ob die Sonne niemals untergeht. Je schummriger es ist, desto besser ist dies zu erkennen. Der Effekt wird über eine bestimmte Verglasung im Dach erzielt.
„Im Grunde ist unsere Schlosskirche einzigartig“, erklärt Schlossführerin Barbara Beuttler-Falk. Sie ist das Werk einer ebenso frommen wie kunstsinnigen und machtbewussten Regentin, die bis heute ihre Spuren hinterlassen hat: der badischen Markgräfin Sibylla Augusta (1675-1733). Als junge Frau galt sie als eine „der attraktivsten Partien in Europa“, denn aus Böhmen stammend brachte sie ein beträchtliches Vermögen in ihre Ehe mit Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden ein – dem legendären „Türkenlouis

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Markgräfin Sibylla Augusta

Besser als Staatsmänner und Minister
Als Ludwig Wilhelm 1707 an einer Kriegsverletzung starb, stand Sibylla Augusta allerdings vor ungeheuren Herausforderungen. Gleich im ersten Jahr ihrer Regentschaft marschierten französische Truppen in ihre Residenz Rastatt ein. Die Markgräfin wich mit ihren Kindern nach Ettlingen aus. Erst nach dem Rastatter Frieden 1714 konnte sie zurückkehren – aber schlimmer noch: Seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) hatten immer wiederkehrende militärische Auseinandersetzungen ganz Baden ins Elend gestürzt: die Einwohner hungern, Ortschaften und Felder sind zerstört, der Schuldenberg ist riesig.

Sibylla Augusta stutzt den Hofstaat, investiert eigene Mittel, treibt Schulden ein und fördert den Wiederaufbau. Ihr Berater Kardinal von Schönborn schreibt: „Sie sind selbst eine so gescheite und penetrante (im Sinne von „scharfsinnige“) Fürstin, dass nur ein paar Worte ihnen genug sind, so machen sie alles besser als der penetranteste Staatsmann und Minister.“ 1727, am Ende der Regierungszeit Sibylla Augustas, war das Land finanziell saniert und wieder aufgebaut. In ganz Baden hat die resolute Frau bleibende Zeugnisse als Bauherrin und religiöse Regentin hinterlassen. Ihr und ihrem Mann Ludwig Wilhelm ist der Wiederaufbau des von den Franzosen zerstörten Rastatt als typisch barocke Stadtanlage mit Schloss und der Ausbau des 1689 zerstörten Ettlinger Schlosses zu verdanken. 

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Allein in Rastatt tragen, neben der Barockresidenz und dem Schloss Favorite, unter anderem die Einsiedelner Kapelle, die Schmerzhafte-Muttergottes-Kapelle und die Eremitage Sibyllas Handschrift.

Ganz besonders aber die Schlosskirche scheint der Frömmigkeit und dem Geschmack der Markgräfin einen prachtvollen baulichen Ausdruck bis in alle Ewigkeit verleihen zu wollen. Als Sibylla Augusta 1719 von einer Rom-Reise zurückkehrte, brachte sie zahlreiche Reliquien mit. „Dahinter stand auch eine besondere Geschäftstüchtigkeit“, sagt Schlossführerin Beuttler-Falk. Die badische Regentin hat Rastatt nämlich mit der Schlosskirche und weiteren sakralen Bauten für die damals einzig verbreitete Form des Massentourismus ausbauen wollen: dem Pilgern. Daher gibt es in der Schlosskirche auch eine „heilige Stiege“ wie in der römischen Lateranbasilika, die man nur kniend begehen durfte.

Im Deckengemälde verewigt
Die Bauzeit war kurz: nach nur drei Jahren wurde die Kirche „Zum Heiligen Kreuz“ bereits am 18. April 1723 geweiht. „Extra schön und keineswegs schlechter als die Schlosszimmer“ war der Wunsch der Markgräfin an ihren Baumeister Michael Rohrer. Auf dem Deckengemälde hat sich Sibylla Augusta als Heilige Helena verewigen lassen. Die gesamte Innenausstattung ist noch fast vollständig im Original vorhanden. Besondere Hingucker bei Führungen sind zwei menschliche Skelette. Es soll sich dabei um die sterblichen Überreste des „Heiligen Theodor“ und der „Heiligen Theodora“ handeln, die als „Heilige Leiber“ in gläsernen Schaukästen drapiert liegen. Als vermeintliche Märtyrer der Christenverfolgung waren sie aus den römischen Katakomben enthoben und nach Rastatt gebracht worden.

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Auf dem Deckengemälde trägt die Heilige Helena un- verkennbar die Züge Sibylla Augustas.

Meisterliches Handwerk wohin das Auge reicht
Wie das gesamte Residenzschloss und das Lustschloss Favorite im Stadtteil Förch ist die Rastatter Schlosskirche auch ein spektakuläres Zeugnis der Baukunst des Barock. Der aus Böhmen stammende Hofbaumeister Michael Ludwig Rohrer (1683-1732) sorgte dafür, dass in der Ausstattung handwerkliche Kunst auf Schritt und Tritt zum Ausdruck kommt. Georg Dehio, der um 1900 das „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“ begründete, schwärmte über die „große gediegene Materialpracht, die Altäre aus buntem Marmor und stucco lustro in feiner Mosaikarbeit, die Pilaster mit Gold- und Seidenstickerei überzogen, überhaupt eine Menge eingänglichsten Kleinzierats“ der Schlosskirche, in der „dank vorzüglichster Lichtführung und harmonischen Farbenreichtums eine sehr geschlossene Gesamtwirkung“ herrsche. Da es in Baden damals nicht genug Handwerker gab, gestaltete Rohrer die Schlosskirche vornehmlich mit ebenfalls aus Böhmen kommenden „Marmolierern“, „Grottierern“, Altarbauern und Malern aus. Für die Stuckarbeiten kam erneut der italienische Stuckateur, Ornamentmaler und Bildhauer Giovanni Battista Artari nach Rastatt, der zuvor bereits mit den Fassadenplastiken und dem Innenraumstuck der Rastatter Residenz und später unter anderem noch mit seinen Stuckarbeiten für den Dom in Fulda bleibende Werke hinterlassen hat.
Bis 1990 wurde die Schlosskirche als Kirche benutzt. 1993 aber musste sie geschlossen werden. Da durch das Dach Wasser eindrang, war die gesamte Stabilität gefährdet. Bis 2017 erfolgte eine aufwendige Restaurierung durch das Land Baden-Württemberg, in dessen Besitz das barocke Juwel heute ist.

Leuchtende Säulen
Insbesondere die Pilaster-Behänge – kostbar bestickte, vier Meter lange Stoffbahnen vor den Wandpfeilern – waren für die Restauratoren eine Herausforderung. „Solche Originaltücher gibt es nirgendwo sonst mehr“, betont Beuttler-Falk. Einmalig sind ebenfalls die leuchtenden Alabastersäulen beim Altar.

Ehedem begannen sie zu leuchten, indem in den hohlen Säulen viele kleine entzündete Öllämpchen an einer Winde hochgezogen wurden. Heute erfolgt die Beleuchtung elektrisch. Die Fenster sind nach der Restaurierung getönt und können ebenfalls per Knopfdruck mal mehr und mal weniger Licht einlassen. Zum Schutz der sakralen und kulturellen Kostbarkeit sind die regelmäßig zwischen Donnerstag und Sonntag angeboten Führungen auf höchstens 20 Personen begrenzt. Die Teilnehmer gelangen am Eingang zu einer Inschrift auf dem Boden: „Bettet (Betet) für die grose (große) Sünderin Augusta“, steht dort geschrieben. Genau darunter in einer Gruft hat sich die Markgräfin beerdigen lassen. Wie immer sie die Inschrift gemeint hat – für Rastatt und Baden hat Sibylla Augusta wahrlich Großes hinterlassen.

Christoph Ertz

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www.schloss-rastatt.de

Führungen:
November bis März immer donnerstags bis sonntags und an Feiertagen um 14 und 15 Uhr, April bis Oktober jeweils donnerstags bis sonntags und an Feiertagen um 14, 15 und 16 Uhr.