Ob sich die Erfinder des Schweißens vor mehr als 150 Jahren vorstellen konnten, was sich heutzutage alles mit Metall anstellen lässt? Stephen Selinger (56) verfolgt mit seinen Söhnen Fabian (26) und Marco (22) immer wieder gerne, wie ihre jüngste und teuerste Maschine millimetergenaue Formen aus Blechen schneidet. In einem Affenzahn zischt die CNC-Laserschneidanlage geradezu über das Metall. „Bis zu 30 Millimeter sind für den Laserschneider kein Problem“, ist Stephen Selinger begeistert. „So gut wie nie müssen wir etwas nacharbeiten“, ergänzen die Söhne.
1993 hat der Vater den „Selinger Metallbau & Schweißfachbetrieb“ gegründet und in der Folge zusammen mit seiner Ehefrau Sandra aufgebaut. Die Söhne sind längst in die Leitung eingestiegen und sollen peu à peu übernehmen.
Mit 15 Mitarbeitern ist der Firmensitz heute im Gewerbegebiet „Stöckmädle“ von Karlsbad-Ittersbach. Auf einer Produktionsfläche von 1.200 Quadratmetern wird Metall auch noch unter anderem mithilfe einer Abkantpresse und einer Blechschere gekantet, gesägt, gebohrt und geschweißt. Für industrielle und private Kunden kommt aus der Werkhalle so gut wie alles, was aus Metall gemacht werden kann: Gestelle, Balkone, Carports, Geländer, Tore und, und, und. Neben der hochwertigen Maschinenausstattung setzt die Familie Selinger auf das eigene handwerkliche Können und das ihrer Mitarbeiter: „In der Produktion sind beispielsweise alle gut im Schweißen“, betonen sie. „Manchmal ist Metall nicht gleich Metall. Dann macht Handwerkskunst den Unterschied."
Dieses Können hat sich inzwischen bis ins ferne Bayern herumgesprochen und könnte sogar Hollywood-Legende Sylvester Stallone in Berührung mit der Karlsbader Firma bringen. Denn die Metall-Experten produzieren den Rahmen für ein futuristisches fahrerloses Taxi. Das Start-up „Inyo Mobility“ aus Grafing bei München strebt damit vor allem eine Rolle im Nahverkehr an. Für die so genannte „letzte Meile“ von einer Haltestelle nach Hause könnte das elektrisch angetriebene Fahrzeug in einigen Jahren per App angefordert werden. „Der Inyo-Geschäftsführer und der Projektleiter stammen aus unserer Region“, berichtet Stephen Selinger. „So kamen sie auf uns.“
„Rocky“ als Testfahrer?
Das „Inyo Cab“ ist gerade mal drei Meter lang, 1,50 Meter breit und 1,80 Meter hoch – und bietet doch Platz für vier Passagiere. „Die aktuellen Prototypen haben wir gegenüber den ursprünglichen Vorgaben selbst optimiert“, erläutert Konstruktionsingenieur Marcel-Patrick Sitter. Selinger baut den Gehäuserahmen, Inyo stattet die Taxis mit den Kunststoffverkleidungen und dem „Innenleben“ wie den Akkus aus. Getestet werden die Fahrzeuge auf einem ADAC-Gelände bei Landsberg. Und damit kommt Sylvester Stallone ins Spiel, denn in der Nähe der Teststrecke dreht der nimmermüde Action-Star an der Fortsetzung seines Bergsteigerdramas „Cliffhanger“. Dass der legendäre „Rocky“ dabei Zeit findet, das „Inyo Cab“ zu testen, halten alle Beteiligten für einen nicht unrealistischen Traum. „Warum nicht?“, fragt Stephen Selinger.
Unter anderem beim Prototypenbau des selbstfahrenden Taxis „Inyo Cab“ zeigt der Familienbetrieb sein ganzes Können.
Vor drei Jahrzehnten hat er den Betrieb ins Leben gerufen, „weil ich schon immer selbstständig sein wollte“. Und weil ihm das Schweißen in die Wiege gelegt wurde: „Mein Vater war der erste Elektrodenschweißer im Bezirk der Handwerkskammer Karlsruhe“, blickt Selinger zurück. „Er hat Schulungen gegeben und mit einem Professor an einem Fachbuch gearbeitet.“ Auf Grundlage des Schweißens ist Selingers Betrieb stetig gewachsen. Ittersbach ist das Zentrum für Ultraschalltechnik, für solche Betriebe baut die Firma beispielsweise seit vielen Jahren Edelstahlwannen und Maschinengestelle. Natürlich gab es über die Jahre viele Herausforderungen – doch die wurden im Zusammenhalt der Familie bestanden. „Die Firma wurde uns nicht aufgezwungen“, sagen Fabian und Marco Selinger. „Aber weshalb sollten wir aufgeben, was unsere Eltern auf die Beine gestellt haben?“
Sie streben eine Erweiterung auf 20 Mitarbeiter und eine zweite Werkshalle an. Der Fachkräftemangel erschwert das Unterfangen jedoch. Über Social Media erhoffen sie sich eine größere Aufmerksamkeit. Wow-Effekte wollen sie erzielen – wow, was sich heute alles mit Metall machen lässt.
Christoph Ertz
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