„Wer nicht verrückt ist, ist nicht normal"

Begegnung mit Bernhard Paul, Gründer des berühmten Circus Roncalli

Geboren 1947 in Lilienfeld, Österreich, als Sohn einer Handwerkerfamilie. Sein Urgroßvater war der Textdichter Josef Weyl, der unter anderem den „Donauwalzer“ von Johann Strauß schrieb. Paul studierte erst Hoch- und Tiefbau, dann Grafik und war Artdirector des Nachrichtenmagazins „profil“ in Wien. 1975 gründete er gemeinsam mit André Heller (der kurz darauf wieder ausschied) den Circus Roncalli. Bis heute leitet und besitzt Paul den in Köln ansässigen Zirkus, in dem er selbst als Clown „Zippo“ auftritt. Seit 1990 ist er mit der italienischen Artistin Eliana Larible verheiratet, das Paar hat drei Kinder.

Bernhard Paul ist ein Österreicher durch und durch. Ein Original, eine Marke: Unternehmer, Zirkusdirektor, Regisseur und Clown. Wer kann solch eine Fülle an Berufen unter einen Hut bringen. Beim Europa-Park-Talk „Wir sprechen Europa“ gab sich der erfolgreiche Gründer des Circus Roncalli unumwunden als Riesenfan des Europa-Park und der Familie Mack zu erkennen: „Roland Mack ist ein Genie, ein Unternehmer mit Herzblut und mit unglaublicher Energie und Liebe zum Detail.“ Es gebe viele Menschen mit Ideen, aber wenige, die sie auch realisieren, schwärmt Bernhard Paul. „Wie kann es möglich sein, in einem Menschenleben eine ganze Stadt, wie den Europa-Park, zu erschaffen. Die Familie Mack hat ein Wunder vollbracht.“ Bernhard Paul hat übrigens auch ein spannendes Hobby: Er sammelt unter anderem alte historische Mack-Wagen. Mehr als 20 hat er inzwischen in aller Welt gefunden und gekauft. Er und seine Familie leben noch heute in einem feudalen Wagen aus dem Hause Mack. Gefährte, die bis heute als der absolute Luxus in der Branche gelten. Darüber hinaus besitzt der begeisterte Sammler beispielsweise noch das erste Schlagzeug der Beatles und die letzte Gitarre von David Bowie.

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Mit (von links) Fernsehmoderatorin Janin Ullmann, Europa-Park-Chef Roland Mack, seiner Tochter Lili Paul-Roncalli und Andreas Andersen, Geschäftsführer des schwedischen Freizeitparks Liseberg, diskutiert Bernhard Paul (Zweiter von rechts) über das Leben zwischen Achterbahn und Zirkus.

Bernhard Paul hat nie einen Anzug besessen, aber in einen goldenen Frack ist er häufig geschlüpft und brachte mit roter Nase unter perlenbestickter Samthaube in der Manage die Menschen zum Lachen. Paul hat den berühmten Circus Roncalli gegründet, ein Zirkus wie aus dem Märchenbuch: ein prächtiges Zelt, feenhafte Beleuchtung, farbenfrohe Kostüme und originalgetreu restaurierte Zirkuswagen. Als Fünfjähriger hatte er einen wunderschönen Zirkus besucht, saß mit den Artisten beisammen und wäre am liebsten mit ihnen weitergezogen. Doch die Eltern haben das verhindert. „Ich habe diesen Zirkus im Kopf behalten und er wurde Jahr für Jahr schöner. Ich wollte den Zirkus meiner Träume realisieren“, erinnert sich Bernhard Paul.

Nach dem Grafikstudium bekam er eine Stelle als „Artdirektor“ bei einer großen Wiener Zeitschrift. Ein Zirkus gastierte in Wien, er war beruflich dort und sofort flammte sein großer Kindheitstraum wieder auf. Mit 28 kündigte er den Job und organisierte fünf ausrangierte Zirkuswagen, die er selbst restaurierte. Für das Zirkuszelt bekam er einen Kredit. Jetzt fehlten noch gute Artisten und ein einprägsamer Name. Es sollte unbedingt italienisch klingen! Papst Johannes XXIII. hieß mit bürgerlichem Namen Roncalli, so entstand 1975 der Circus Roncalli.

Bernhard Paul reiste durch Italien, um die besten Artisten anzuheuern. Kurz vor dem Auftritt fehlte allerdings noch immer der dritte Clown, was tun? „Da habe ich mich eben selbst als Clown in die Manege gestellt“, erinnert sich der sympathische Zirkusgründer. Seit 50 Jahren gestaltet er liebevoll seinen Zirkus. „Bei uns stimmt jedes Detail. Für die Logensitze habe ich beispielsweise über 50 Stoffmuster in dem entsprechenden Licht selbst geprüft, ich wollte unbedingt reines Mohair, damit sich die Besucher wohl fühlen“, sagt Paul und ergänzt lachend: „Ich bin ja genauso ein Detailfetischist wie Europa-Park-Geschäftsführer Roland Mack!“ Für Roncalli hat er auch eine eigene Schrift und ein eigenes Design erfunden.

Wagen von der Firma Mack Rides
Bernhard Paul gibt sich immer nur mit dem Besten zufrieden. „Ich habe den Chefbeleuchter der Londoner Royal Shakespeare Company engagiert“, erzählt der Mann mit der getönten Brille und dem hellen Schnauzer, der spannend über sein ereignisreiches Leben plaudert. Schnell wuchs das Equipment, stabile und gute Packwagen mussten her. „Wir haben zehn Packwagen bei der Firma Mack bestellt, die waren erstklassig. So habe ich damals Franz und Roland Mack kennengelernt, Franz war ja ein unschlagbar guter Handwerker. Was er dann mit dem Europa-Park auf die Beine gestellt hat, erntet meine höchste Bewunderung. Er und auch Roland konnten jede Menge Geschichten aus dem Zirkus erzählen und waren immer auf Augenhöhe mit den Artisten“, beschreibt Paul seine Begegnungen mit den Gründern des Europa-Park.

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Ein Zirkus mit vielen Stars und echtem Humor
Heinz Rühmann hat 1984 sein berühmtes, sensibles Lied „Der Clown“ live im Roncalli gesungen. Leonard Bernstein ist bei ihm ebenso aufgetreten, ebenso wie BAP. Heute ist es schon schwieriger, die Menschen zu begeistern. „Die Jugend schaut sich Comedy-Serien auf Youtube an, schnell vergängliche Ware, häufig mit zotigen Witzen auf Kosten von anderen“, beobachtet der vierfache Familienvater. Der Humor in seinem Zirkus ist dagegen einer, über den man noch in hundert Jahren lacht, unverwüstlich und hintersinnig. Zu seinen Vorbildern zählen Charlie Chaplin, Loriot und auch Dieter Hildebrandt.

„Die Fernsehgeneration staunt über Kameratricks und wenn sie reale Artisten sehen, die durch die Luft fliegen, können sie das nicht einordnen. Ihre Wahrnehmung ist eine andere“, meint Paul und setzt dem Geschwindigkeitswahn sein Programm „Time is honey“ mit bewusster Entschleunigung entgegen. Dennoch klagt der Zirkusdirektor und leidenschaftliche Sammler mit keinem Wort. Qualität setzt sich zu jeder Zeit durch und er ist auch ganz ehrlich: „Das Publikum war mir wurscht, ich wollte für mich eine Gegenwelt erschaffen, ein Biotop, wollte raus aus dem Kreislauf der Gier. Mir schwebte damals ein ganz gemütlicher kleiner österreichischer Zirkus vor. Ich versprach meinem ersten Clown, dass wir gemeinsam auf der Veranda sitzen und Erdbeeren mit Schlagobers essen“, schmunzelt er. Mit der Gemütlichkeit hat es zwar nicht geklappt, denn der Circus Roncalli wurde schnell berühmt und ging auf Tournee, aber die Leidenschaft ist ungebrochen. Seinen Kindern hat er die Wahl gelassen, sie haben eine Schulausbildung absolviert, was nicht einfach ist für das „fahrende Volk“. „Meine Kinder haben heimlich nachts trainiert und mich mit einer Rollschuhnummer überrascht, natürlich freue ich mich riesig, dass sie auch im Zirkus auftreten.“

Dann kam Corona: Zwei Jahre keine Auftritte, keine Vorstellungen, keine Umsätze. Dabei kostet ein Zikus aufgebaut mehr als 30.000 Euro an einem Tag. Ein Desaster. Doch Paul bleibt optimistisch: „Ich bin so glücklich, dass wir wieder auftreten können.“ Mit dem Circus Roncalli trifft er auf unzählige Menschen, die endlich wieder raus wollen und etwas erleben, die Homeoffice satt haben. Bernhard Paul ist nach wie vor voller Energie und voller Ideen: Als das Thema Tiere in der Manege immer umstrittener wurde, entschied er als einer der Pioniere des Zirkus, Elefanten und andere Tiere als Hologramme in der Manege „auftreten“ zu lassen. Ein Risiko, mit solch einer uralten Tradition zu brechen. Doch es ist ein Riesenerfolg bei den Besuchern geworden. Mit Phantasie, Liebe und einem Lächeln wird er diese Herausforderungen ebenfalls meistern. Die heutige Zeit kommentiert er so: Der Circus Roncalli sei nicht dazu da, um schlechte Nachrichten zu erzählen oder über Politik zu recden. Es sei vernünftiger, sich als Mann eine rote Nase aufzusetzen und lustig zu sein, als jemanden zu erschießen in einem Krieg, da alle Kriege sinnlos seien.